Leitsatz (amtlich)

Eine Überleitung des Beschwerdeverfahrens in ein Berufungsverfahren bei einer entgegen § 341 Abs. 2 ZPO erfolgten Verwerfung des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil durch Beschluss, kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn das LG durch einen Einzelrichter entschieden hat, gegen dessen Beschluss aufgrund des Meistbegünstigungsprinzips die sofortige Beschwerde zum originären Einzelrichter des Berufungsgerichts gegeben ist; der Verwerfungsbeschluss ist in diesem Fall aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Normenkette

ZPO § 341 Abs. 2, § 567 ff.

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 8 O 284/02)

 

Tenor

Der am 6.1.2003 erlassene Beschluss des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG über die Verwerfung des Einspruchs des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 28.10.2002 und die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung des Einspruchs wird aufgehoben und zur erneuten Entscheidung – auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das LG # zurückverwiesen.

Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht erhoben.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters vom 6.1.2003 ist begründet. Das Rechtsmittel muss zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache führen, weil das LG in prozessual nicht zulässiger Art und Weise über den Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 28.10.2002 entschieden hat.

I. Zwar ist die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss vom 6.1.2002 auch insoweit als zulässig anzusehen, als der Beklagte sich gegen die Verwerfung seines Einspruches wendet, obwohl regulär gegen die Einspruchsverwerfung nach § 341 Abs. 1 S. 2 ZPO nur die Berufung in Betracht kommt. Die sofortige Beschwerde ist im Hinblick auf die gebotene Meistbegünstigung des Beklagten zulässig (zur Anwendung des Meistbegünstigungsgebots Schenkel, MDR 2003, 136 ff.). Da das LG in prozessual unzulässiger Art und Weise über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil durch Beschluss entschieden hat, muss auch die sofortige Beschwerde, über die hier gem. § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden hat, weil die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist, als zulässig angesehen werden. Dies gebietet der Grundsatz, dass den Parteien durch eine formal inkorrekte Entscheidung kein Nachteil entstehen darf.

In der Sache selbst muss die sofortige Beschwerde des Beklagten zur Aufhebung und Zurückverweisung des Beschlusses über die Verwerfung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil führen, weil nach der Neufassung der ZPO durch das Zivilprozessrechtsreformgesetz 2001 die Entscheidung über die Verwerfung des Einspruches gegen ein Versäumnisurteil stets durch Urteil ergehen muss, wie sich aus § 341 Abs. 2 ZPO ergibt (s. etwa auch Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, 24. Aufl., § 341 Rz. 5; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 341 Rz. 9; Schenkel, MDR 2003, 136 [138]). Der Verstoß gegen die Vorschrift des § 341 Abs. 2 ZPO, die das LG zwar in seiner Entscheidung zitiert hat, an deren Inhalt es sich aber nicht gehalten hat, muss zu einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache führen.

Die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache ist vorliegend analog § 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil das LG den Einspruch des Beklagten als unzulässig verworfen hat (s. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 572 Rz. 31). Eine eigene Sachentscheidung des Senats entspr. § 538 Abs. 1 ZPO kommt zum einen nicht in Betracht, weil das LG sich bislang nicht inhaltlich mit der Klage auseinander gesetzt hat, zum anderen wäre für eine solche Entscheidung auch nicht der originäre Einzelrichter, sondern der Senat zuständig, der jedoch nicht über die sofortige Beschwerde gegen den Verwerfungsbeschluss zu befinden hat.

Eine Überleitung der Sache ins Urteilsverfahren, wie sie von Schenkel (Schenkel, MDR 2003, 136 ff.) generell für richtig gehalten wird, kommt in der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht in Betracht. Aufgrund der erstinstanzlichen Einzelrichterentscheidung mittels Beschluss ist gem. § 568 S. 1 ZPO der originäre Einzelrichter beim OLG für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig. Bei der an sich prozessual zutreffenden Entscheidung durch Urteil wäre für die Entscheidung der Senat und damit ein anderer Spruchkörper zuständig gewesen. Dieser könnte gem. § 526 ZPO die Sache allenfalls auf den entscheidenden Einzelrichter übertragen, sofern sich der Rechtsstreit dafür eignen würde und die weiteren Voraussetzungen vorlägen. Umgekehrt könnte der Einzelrichter das Beschwerdeverfahren nur unter den Voraussetzungen des § 568 S. 2 ZPO, die hier nicht vorliegen, auf den Senat übertragen. Eine originäre Zuständigkeit des Senats, wie sie im Urteilsverfahren bestehen würde, kommt bei der gegebenen Fallkonstellation in keinem Fall in Frage. Mithin ist es aufgrund der prozessual fehlerhaften Entscheidung des LG zu einer gesetzwidrigen Verschieb...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge