Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhebung personenbezogener Daten durch private Dritte mittels einer sogenannten Dash-Cam (Onboard-Kamera) im öffentlichen Straßenverkehr zum Zwecke der Dokumentation mutmaßlich begangener Ordnungswidrigkeiten. Übermittlung der dergestalt erhobenen Daten an die Bußgeldbehörde

 

Leitsatz (amtlich)

Die Aufzeichnung mutmaßlich verkehrsordnungswidriger Verhaltensweisen Dritter im öffentlichen Straßenverkehr mittels einer sogenannten Dash-Cam (Onboard-Kamera) und die anschließende Übermittlung der dergestalt erhobenen Daten an die zuständige Bußgeldbehörde zwecks Ahndung ev. begangener Verkehrsordnungswidrigkeiten verstößt gegen § 1 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und stellt somit eine unzulässige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Verkehrsteilnehmer dar. Derartige Handlungen werden vom personalen und sachlichen Anwendungsbereich der entsprechenden Schutzvorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes, u.a. von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG erfasst und durch § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG als Ordnungswidrigkeit sanktioniert.

 

Normenkette

BDSG § 1 Abs. 1, 2 Nr. 3, § 2 Abs. 4, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 6b Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2, § 43 Abs. 2 Nr. 1; OWiG §§ 10, 35, 80 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Entscheidung vom 10.04.2017)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 10. April 2017 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG) mit der Maßgabe, dass der Betroffene einer vorsätzlichen unbefugten Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, schuldig ist.

Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I.

1.) Das Amtsgericht Hannover hat den Betroffenen durch Urteil vom 10. April 2017 wegen fahrlässiger unbefugter Erhebung und Verarbeitung nicht allgemein zugänglicher personenbezogener Daten zu einer Geldbuße von 250 € sowie zur Tragung der Kosten des Verfahrens verurteilt. Nachdem das Amtsgericht im Rahmen der Hauptverhandlung nach durchgeführter Beweisaufnahme von der Verfolgung fünf gleich gelagerter Tatvorwürfe abgesehen und das Verfahren insoweit gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt hat, hat dieses lediglich noch einen Tatvorwurf zum Gegenstand. Zu diesem hat das Amtsgericht u.a. folgende Feststellungen getroffen:

Im Jahre 2004 hat der Betroffene damit begonnen, Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung zu dokumentieren und zur Anzeige zu bringen. Bis zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung tat er dies in etwa 56.000 Fällen. Anlass hierfür war ursprünglich ein Gespräch mit dem Leiter der für die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständigen örtlichen Bußgeldbehörde. Dieser soll den Betroffenen zur Anzeigenerstattung ermuntert haben, nachdem der Betroffene jenem gegenüber seine Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht hatte, dass Verkehrsverstöße nicht konsequent geahndet würden. Als Beweismittel hat der Betroffene Fotografien oder Videoaufzeichnungen von den von ihm wahrgenommenen mutmaßlichen Verkehrsverstößen gefertigt und sich ergänzend als Zeuge zur Verfügung gestellt. Anfang des Jahres 2014 stattete der Betroffene sein Fahrzeug mit einer sogenannten "Onboard-Kamera" bzw. "Dash-Cam" aus, Mitte 2014 installierte er in seinem Wagen ein modifiziertes System mit zwei Kameras - eine vorne und eine hinten. Diese Kameras waren sowohl fernbedienbar als auch in der Lage, mittels eingebauter Infrarotsensoren Aufnahmen selbst in der Dunkelheit zu fertigen. Die Anlage ermöglichte zudem sowohl die Aufnahme von Einzelbildern als auch von Videos und war mit einem sogenannten Global Positioning System (GPS) ausgestattet, mit welchem satellitenbasiert u.a. die gefahrene Geschwindigkeit als auch der genaue Standort bestimmt werden konnte.

Die massenhaften Fertigung derartiger Videoaufzeichnungen von Verkehrsteilnehmern durch den Betroffenen aus Anlass der von den Verkehrsteilnehmern mutmaßlich begangenen Verkehrsverstöße gab dem durch die Bußgeldbehörde unterrichteten Landesbeauftragten für Datenschutz Niedersachsen Veranlassung, gegen den Betroffenen am 4. Juni 2014 einen Bußgeldbescheid wegen unbefugter Datenerhebung mittels Verwendung einer Onboard-Kamera im öffentlichen Straßenverkehr zu erlassen. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde indes im September 2014 durch das zuständige Gericht gemäß § 206a StPO eingestellt, weil der Bußgeldbescheid nicht den Anforderungen des § 66 OWiG entsprochen hatte. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen hat dieses Verfahren sodann nicht weiter betrieben, den Betroffenen indes mit Schreiben vom 29. Oktober 2014 unter Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 12. August 2014 darauf hingewiesen, dass der Einsatz derartiger Onboard-Kameras in Form einer Videoüberwachung im Straßenverkehr unzulässig sei. Für den Fall der Wiederholung kündigte der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen die Einleitung eines neuen Bußgeldverfahrens an.

Gleichwohl setzte ...

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