Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Landeskasse auf Erstattung der Umsatzsteuer bei Vorsteuerabzugsberechtigung der Partei

 

Leitsatz (amtlich)

Dem beigeordneten Rechtsanwalt steht im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach §§ 45 ff. RVG kein Anspruch gegen die Landeskasse auf Erstattung der Umsatzsteuer zu, sofern die von ihm vertretene Partei zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

 

Normenkette

RVG §§ 45, 55; ZPO § 104 Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 02.09.2013; Aktenzeichen 14 O 377/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 4.9.2013 wird der Beschluss der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des LG Hannover vom 2.9.2013 aufgehoben und der Antrag auf Festsetzung weiterer 82,46 EUR zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 82,46 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 4.9.2013 gegen den ihr am 4.9.2013 zugestellten Beschluss vom 2.9.2013 ist gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.

Zwar ist der Beschwerdewert von 200 EUR gem. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG nicht erreicht. Das LG hat aber in dem angefochtenen Beschluss die Beschwerde gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG zugelassen. An diese Beschwerdezulassung ist der Senat gem. § 33 Abs. 4 Satz 4 RVG gebunden.

II. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Mit Erfolg macht die Antragsgegnerin mit der Beschwerde geltend, dass das LG vorliegend zu Unrecht die Umsatzsteuer i.H.v. 82,46 EUR zugunsten der Antragsteller als beigeordnete Prozessbevollmächtigte nach § 55 RVG festgesetzt hat.

Die Umsatzsteuer war bei der Festsetzung der Vergütung der Antragsteller als beigeordnete Rechtsanwälte nicht zu berücksichtigen. Die Antragsteller sind zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der Hinweis der Antragsteller auf die ihre abweichende Rechtsauffassung unterstützende Rechtsprechung (vgl. Hanseatisches OLG, Beschl. v. 19.6.2013 - 4 W 60/13, = RVGreport 2013, 348) geht fehl. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschl. v. 12.6.2006 - II ZB 21/05, = NJW-RR 2007, 285) steht der Geltendmachung der Umsatzsteuer durch den nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG zur Abführung der auf die gesamte Honorarforderung entfallenen Umsatzsteuer verpflichteten Rechtsanwalt die Vorsteuerabzugsberechtigung seines bedürftigen Mandanten entgegen.

Der BGH hat in dieser Entscheidung unter Abgrenzung von der anders lautenden früheren obergerichtlichen Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die bedürftige Partei zwar nicht mit Kosten belastet werden solle, zu deren Aufbringung sie nicht in der Lage sei. Diese Gefahr bestehe bei einem bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer hinsichtlich der ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuer jedoch nicht, weil eine solche Partei vom Finanzamt die Erstattung der an den Rechtsanwalt zu zahlenden Umsatzsteuer verlangen könne, so dass der Betrag als durchlaufender Posten wirtschaftlich nicht von der bedürftigen Partei getragen werden müsse und sie deshalb nicht belaste und an der Prozessführung hindere. Der Rechtsanwalt der bedürftigen Partei sei schon aus steuerrechtlichen Gründen verpflichtet, auch der bedürftigen Partei eine Rechnung zu stellen (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 9 Juris). Auch gebiete der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, dass die Geltendmachung der Umsatzsteuer gegenüber der bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Partei von der Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (bei Festsetzung gegenüber dem Gegner) nicht erfasst werde. Auftraggeber des zugrunde liegenden Schuldverhältnisses sei weiterhin der Leistungsempfänger - nämlich die von dem beigeordneten Rechtsanwalt vertretene bedürftige Partei - nicht aber der Gegner oder die Staatskasse (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 10).

Die Antragsteller haben zwar zutreffend dargelegt, dass es nicht auf die Vorsteuerabzugsberechtigung der Prozesspartei ankommt und dass von der unterlegenen gegnerischen Prozesspartei im Falle bestehender Vorsteuerabzugsberechtigung keine Umsatzsteuer geltend gemacht werden kann.

Indessen ist aus Sicht des Senats kein Grund dafür ersichtlich, dem beigeordneten Rechtsanwalt für die Vertretung der bedürftigen Partei gegen die Landeskasse gem. § 55 RVG eine höhere Vergütung zuzubilligen als er ohne eine Beiordnung für die Vertretung einer nicht bedürftigen Partei im Rahmen der Vergütungsfestsetzung von der Gegenseite oder aber im Rahmen der Festsetzung nach § 126 Abs. 1 ZPO beanspruchen könnte. Insoweit überzeugt auch die Entscheidung des Hanseatischen OLG nicht, da es insoweit an einer Begründung fehlt, warum der unterlegene Gegner nicht zur Erstattung der Umsatzsteuer verpflichtet sein soll, während die Staatskasse, bei der es sich nicht um eine Partei des Prozesses handelt, eine höhere Vergütung zahlen soll. Vielmehr erachtet es der Senat für allein sachgerecht, sowohl den unterlegenen Gegner als auch die Staat...

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