Leitsatz (amtlich)

1. Ein rechtlich geschütztes Interesse an der Einsicht in die Akten eines laufenden Insolvenzverfahrens i.S.d. § 299 Abs. 2 ZPO ist auch dann gegeben, wenn es sich um ein Verfahren handelt, dass ein Unternehmen der Firmengruppe betrifft, die der Antragsteller vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleitet hat.

2. Es kann offen bleiben, ob ein Fall der entsprechenden Anwendung des § 299 Abs. 1 InsO auch dann geben ist, wenn der Antragsteller nur deshalb gehindert ist, seine Forderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft anzumelden, weil auch über sein privates Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

 

Normenkette

InsO § 4; ZPO § 299

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 03.01.2006; Aktenzeichen 20 T 83/05)

AG Hameln (Beschluss vom 23.11.2005; Aktenzeichen 37 IN 141/04)

 

Tenor

1. Auf den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung gegen den Beschluss des AG Hameln vom 23.11.2005 wird das AG angewiesen, dem Antragsteller Einsicht in die Akten des Insolvenzverfahrens 37 IN .../04 zu gewähren.

2. Die Beschwerde des Antragstellers vom 14.12.2005 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des AG Hameln - Insolvenzgericht - vom 23.11.2005 wird zurückgewiesen.

3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

Das Rechtsmittel des Antragstellers, mit dem dieser sich dagegen wendet, dass ihm Akteneinsicht und Prozesskostenhilfe für die Einsicht in die Akten des über das Vermögen der Druckerei G. GmbH & Co. KG eröffneten Insolvenzverfahrens versagt worden ist, muss als zulässig angesehen werden, nachdem das LG Hannover - Beschwerdekammer - mit Beschl. v. 3.1.2006 (20 T 83/05, LG Hannover) die Vorlageverfügung des AG Hameln aufgehoben und die Sache dem OLG Celle zur Entscheidung vorgelegt hat, weil es sich nach Auffassung des LG Hannover nicht um eine Beschwerdesache in einem Insolvenzverfahren handele, sondern vielmehr um ein Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG.

I.1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Die Entscheidung des AG Hameln, der Gläubigerin keine Einsicht in die Insolvenzakten zu gewähren, ist nach den §§ 23 ff. EGGVG anfechtbar (OLG Brandenburg v. 5.9.2002 - 11 VA 11/02, ZInsO 2002, 1085 = ZIP 2002, 2320; NZI 2002, 49 = InVo 2002, 20; OLG Celle ZInsO 2004, 204; v. 19.1.2004 - 2 W 118/03, OLGReport Celle 2004, 191 = ZIP 2004, 370; v. 21.12.2001 - 2 W 102/01, OLGReport Celle 2002, 114 = ZInsO 2002, 73 = ZIP 2002, 446 OLG Dresden v. 10.12.2002 - 6 VA 0004/02, ZIP 2003, 39; ZInsO 2003, 1148; OLG Hamburg v. 14.8.2001 - 2 VA 6/00, OLGReport Hamburg 2002, 61 = MDR 2002, 235 = GmbHR 2002, 331 = ZInsO 2002, 36 = ZIP 2002, 266 = NJW-RR 2002, 408; OLG Jena ZVI 2002, 318;OLG Stuttgart ZVI 2002, 459; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 20 Rz. 63 ff.). Die Entscheidung ist zwar durch den Rechtspfleger und nicht durch den Vorstand des AG Hameln erlassen worden, es ist aber davon auszugehen, dass - wie weitgehend üblich - die Befugnis zur Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht durch den Vorstand des Gerichts auf die Abteilung delegiert worden ist. Die für die Antragstellung einzuhaltende Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG wurde gewahrt.

Zwar könnte Hinblick auf die behauptete Gläubigerstellung des Antragstellers zweifelhaft sein, ob die Aufhebung der Vorlageverfügung und die Weitergabe des Verfahrens an den Senat durch die Beschwerdekammer des LG Hannover zu Recht erfolgt ist, weil mit dem Ausschluss der Akteneinsicht eines Insolvenzgläubigers, der versucht hat seine Forderung im Verfahren anzumelden, eine Entscheidung vorliegt, die keine Verfügung oder sonstige Maßnahme einer Justizbehörde i.S.d. § 23 EGGVG darstellt, sondern vielmehr eine Entscheidung gegeben ist, die im Instanzenzug der ZPO überprüft werden kann (OLG Celle ZInsO 2004, 204; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 20 Rz. 63 ff.). Entscheidungen des Insolvenzgerichts über die Einsicht in Insolvenzakten unterliegen bei Akteneinsichtsgesuchen von Gläubigern, die ihre Forderung angemeldet haben - ebenso wie die Verweigerung von Akteneinsicht oder Erteilung von Abschriften ggü. den Parteien eines Zivilprozesses - der sofortigen Beschwerde, wenn die Entscheidung durch den Vorsitzenden des Gerichts getroffen wird (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 299 Rz. 5a; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 20 Rz. 66 f.). Für den Fall, dass ein am Verfahren beteiligter Insolvenzgläubiger während des noch nicht abgeschlossenen Insolvenzverfahrens Akteneinsicht oder die Erteilung von Abschriften aus den Akten begehrt, ist nahezu einhellige Auffassung, dass über eine Ablehnung des Einsichtsgesuchs bzw. des Antrags auf Fertigung von Abschriften, Auszügen, Ausfertigungen usw. im Wege der sofortigen Beschwerde gem. § 4 InsO i.V.m. § 567 ZPO und nicht im Antragsverfahren nach den §§ 23 ff. GVG zu entscheiden ist (Pape, ZIP 1997, 1367 [1368]; Ganter in MünchKomm/InsO, § 4 Rz. 69; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 20 Rz. 67.). Die Insolvenzgläubiger werden m...

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