Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 17.04.2007; Aktenzeichen 8 O 1570/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 30.05.2008; Aktenzeichen V ZR 184/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Teil-Urteil des LG Bremen - 8. Zivilkammer, Einzelrichter - vom 17.4.2007 aufgehoben und die Widerklage des Beklagten vom 19.10.2004 insoweit abgewiesen, als mit ihr begehrt wird, die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, das teilweise mit einem Anbau an das Nachbargrundstück P. str. 95/97 in Bremen bebaute Grundstück P. str. 99/101, eingetragen im Grundbuch von Vorstadt ..., Blatt ..., zu räumen, indem der dort aufstehende Anbau an das Nachbargebäude P. str. 95/97 von diesem getrennt und einschließlich seiner Fundamente beseitigt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Die Kläger verfolgen mit ihrer Berufung gegen das der Widerklage stattgebende Teilurteil des LG primär ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie behaupten, die Beseitigung des Überbaus sei für sie sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen unmöglich. Sie sind weiter der Auffassung, dass sie nicht Zustandsstörer i.S.d. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB seien und im Übrigen das Beseitigungsverlangen des Beklagten rechtsmissbräuchlich sei. Wegen der näheren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die klägerischen Schriftsätze vom 7.5.2007 (Bd. IV, Bl. 1027 ff. d.A.), 12.6.2007 (Bd. IV, Bl. 1114), 15.6.2007 (Bd. IV, Bl. 1152), 19.6.2007 (Bd. IV, Bl. 1162), 25.6.2007 (Bd. IV, Bl. 1191), 10.8.2007 (Bd. IV, Bl. 1317), 7.8.2007 (Bd. V, Bl. 1330), 14.8.2007 (Bd. V, Bl. 1362) und 17.8.2007 (Bd. V, Bl. 1398) Bezug genommen. Die Kläger begehren die Aufhebung des Teilurteils, mit dem sie zur Grundstücksräumung durch Abbruch des Gebäudes verurteilt wurden. Hilfsweise verlangen sie, ihnen zu gestatten, die Beseitigung des Überbaus durch einen vom Gericht festzusetzenden Geldbetrag abzuwenden sowie äußerst hilfsweise, dem Beklagten die Abbruchkosten aufzuerlegen.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung. Wegen der näheren Begründung seines Antrags wird auf die Schriftsätze vom 14.6.2007 (Bd. IV, Bl. 1144) und 31.8.2007 (Bd. V, Bl. 1406 ff. d.A.) verwiesen.

II. Die statthafte (§ 511 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte (§§ 517, 519, 520 ZPO) Berufung der Kläger ist zulässig und begründet. Dem Beklagten als Nießbrauchsberechtigtem des Grundstücks P. str. 99/101 steht zwar ggü. den Klägern ein Anspruch auf Beseitigung des vom Grundstück P. straße 95/97 auf das Grundstück P. straße 99/101 ragenden Überbaus zu (§§ 1004, 1065 BGB). Der Beklagte kann dennoch nicht den Abriss des Überbaus verlangen, weil dieser für die Kläger mit einem unverhältnismäßig großen, ihnen billigerweise nicht zuzumutenden Aufwand verbunden wäre (§§ 1004 Abs. 1 S. 1, 242, 251 Abs. 2 BGB).

1. Da der Fortbestand des - nach Auslaufen des Mietvertrages mit dem Voreigentümer nunmehr rechtswidrigen - Überbaus vom Willen der Kläger als Eigentümer des überbauten Gebäudeteils abhängt, sind sie als sog. Zustandsstörer gem. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB dazu verpflichtet, den Überbau von dem Nachbargrundstück P. straße 99/101 zu entfernen. Denn durch den aufstehenden Überbau wird der Beklagte in der Ausübung seines ihm unstreitig an dem Grundstück P. str. 99/101 zustehenden Nießbrauchsrechts beeinträchtigt.

Dass dieser Beseitigungsanspruch dem Beklagten grundsätzlich gemäß den §§ 1004 Abs. 1 S. 1, 1065 BGB zusteht, haben die Kläger in ihrem Schreiben vom 20.1.2004 bereits eingeräumt. Ob sie mit ihrer dortigen Erklärung, den Beseitigungsanspruch des Beklagten anzuerkennen und bei dessen Geltendmachung das Erforderliche veranlassen zu wollen, ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgegeben haben, kann allerdings dahinstehen. Denn selbst wenn man der dahingehenden Rechtsauffassung des Beklagten folgen wollte, bezöge sich dieses Schuldanerkenntnis nur auf das grundsätzliche Bestehen des Beseitigungsanspruchs des Beklagten, von dem der Senat ohnehin ausgeht. Die Kläger wären durch ein derartiges Anerkenntnis aber nicht mit dem im vorliegenden Verfahren von ihnen vorgebrachten Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit des Beseitigungsverlangens des Beklagten ausgeschlossen, da dem Anerkennenden nur solche Einwendungen abgeschnitten werden, die er bei Abgabe der Erklärung kannte oder mit denen er mindestens rechnete (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 781 Rz. 4).

Im Januar 2004 und somit zum Zeitpunkt der Abgabe des vermeintlichen deklaratorischen Schuldanerkenntnisses war die Höhe der Kosten für die Beseitigung des Überbaus jedoch nicht bekannt. Die Abrisskosten von mindest...

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