Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung eines Girovertrages durch ein privatwirtschaftlich betriebenes Kreditinstitut

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein privatwirtschaftlich betriebenes Kreditinstitut ist berechtigt, einen Girovertrag mit einem Unternehmen ohne Begründung ordentlich zu kündigen.

2. Das Kreditinstitut ist dabei jedenfalls im gewerblichen Bereich grundsätzlich nicht verpflichtet, vor Ausspruch der Kündigung eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen, innerhalb derer alle für die Interessenabwägung bedeutsamen Umstände im Einzelfall gegeneinander abzuwägen sind. Auch der Umstand, dass die Möglichkeit, den Zahlungsverkehr über ein Girokonto abzuwickeln, ein "essentieller Bestandteil des modernen Wirtschafts- und Geschäftslebens" ist, rechtfertigt es nicht generell von einem Kreditinstitut gegenüber einem gewerblichen Kunden zu verlangen, die Beendigung einer Geschäftsbeziehung im Wege der ordentlichen Kündigung im Einzelnen zu begründen und zu rechtfertigen.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 21 Abs. 2; BGB §§ 226, 242, 627, 675; AGB-Banken Nr. 19 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 06.01.2011; Aktenzeichen 2 O 2150/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.01.2013; Aktenzeichen XI ZR 22/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Bremen, 2. Zivilkammer, vom 6.1.2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung eines Girovertrages.

Die Klägerin verlegt über mehrere Buch- und Zeitschriftenverlage Bücher und Zeitschriften. Sie unterhält seit dem 11.9.2006 bei der Beklagten ein Girokonto zur Kontonummer [...] zur Abwicklung ihres geschäftlichen Zahlungsverkehrs.

Mit Schreiben vom 22.7.2009 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin, dass sie "aus grundsätzlichen Erwägungen" sich nicht mehr in der Lage sehe, die Kontoverbindung aufrechtzuerhalten, und kündigte gem. Nr. 19 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Kontoverbindung zum 3.9.2009.

Auf Antrag der Klägerin vom 3.9.2009 hat das LG Bremen, 2. Zivilkammer, mit einstweiliger Verfügung vom 4.9.2009 der Beklagten aufgegeben, das von der Klägerin bei der Beklagten eingerichtete Girokonto bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache weiterzuführen (LG Bremen, Az.: 2 O 1555/09). Nach Fristsetzung zur Klagerhebung und anschließender Erhebung der vorliegenden Hauptsacheklage haben die Parteien das von der Beklagten betriebene Aufhebungsverfahren wegen Versäumung der Klagfrist übereinstimmend für erledigt erklärt.

Mit vorliegender Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der zwischen den Parteien geschlossene Girovertrag ungekündigt fortbesteht.

Die Klägerin hat gerügt, dass die Kündigungserklärung nicht erkennen lasse, dass sie von einer vertretungsberechtigten Person erklärt worden sei, weshalb die Kündigung unwirksam sei. Sie sei jedenfalls - unstreitig - nicht von Vorstandsmitgliedern unterzeichnet worden.

Die Kündigung sei zudem rechtsmissbräuchlich. Ein Kündigungsgrund sei nicht angegeben. Er liege auch nicht vor. Das Recht zur ordentlichen Kündigung unterliege Schranken; insbesondere sei ein ernstlicher Anlass für eine Kündigung erforderlich. Dieser sei weder erkennbar noch dargelegt. Die Beklagte habe vielmehr durch die Fortführung des Kontovertrages keine Nachteile, während die Klägerin aufgrund der Grundstruktur ihres Vertriebes und der damit einhergehenden Zahlungsweise bei einem Wechsel im Geschäftskonto mit erheblichen materiellen Schäden zu rechnen habe, was näher ausgeführt worden ist. Ferner sei der Wechsel der Bankverbindung mit einem erheblichen Imageschaden verbunden, da jedem Wechsel der Kontoverbindung der Makel der angenommenen finanziellen Probleme anhafte.

Die Klägerin hat beantragt, festzustellen dass der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Girovertrag ([...]) ungekündigt fortbestehe.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Klage für unzulässig gehalten, weil der Klagantrag nicht auf die Kündigung vom 22.7.2009 Bezug nehme. Sie hat behauptet, das Kündigungsschreiben sei von zwei bevollmächtigten gemeinsam zeichnungsberechtigten Mitarbeitern der Beklagten unterzeichnet worden. Im Übrigen hat sie sich auf die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung berufen; eine nähere Begründung sei nicht erforderlich. Die von der Klägerin behaupteten wirtschaftlichen Auswirkungen der Kündigung würden bestritten und rechtfertigten es nicht, sie - die Beklagte - unter Verstoß gegen das Prinzip der Parteiautonomie am Girovertrag festzuhalten.

Das LG Bremen, 2. Zivilkammer, hat mit Urteil vom 6.1.2011 die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Girovertr...

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