Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für Beiordnung eines Rechtsanwalts im Vermittlungsverfahren nach § 165 FamFG

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn einem Vermittlungsverfahren nach § 165 FamFG ein mit anwaltlicher Beteiligung erarbeiteter, familiengerichtlich gebilligter Vergleich vorausgegangen ist, dessen Nichteinhaltung durch den anderen Elternteil behauptet wird, ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Vermittlungsverfahren jedenfalls dann geboten, wenn das Verhältnis der Kindeseltern zueinander überdurchschnittlich konfliktgeprägt ist.

 

Normenkette

FamFG § 78 Abs. 2, § 165

 

Verfahrensgang

AG Bremerhaven (Beschluss vom 21.11.2016; Aktenzeichen 151 F 1406/16)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bremerhaven vom 21.11.2016 dahingehend abgeändert, dass der Kindesmutter im Rahmen der ihr mit jenem Beschluss bewilligten Verfahrenskostenhilfe Rechtsanwältin [...] mit der Maßgabe beigeordnet wird, dass Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass die Verfahrensbevollmächtigte ihre Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk hat, nur bis zur Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwalts am Wohnsitz der Kindesmutter erstattungsfähig sind.

 

Gründe

I. Aus der geschiedenen Ehe der Kindeseltern ist der am [...] 2005 geborene Sohn [...] hervorgegangen. Dieser lebt beim Kindesvater. Die Kindeseltern haben ein hochstreitiges, von massiven wechselseitigen Vorwürfen und einer feindseligen Haltung gegenüber dem jeweils anderen Elternteil geprägtes Verfahren betreffend das Sorgerecht für das gemeinsame Kind geführt (Gesch.-Nr. 5 UF 53/16 des Senats = 151 F 53/15 AG Bremerhaven). Am 24.9.2015 haben sie sich vor dem Senat darauf verständigt, dass der Lebensmittelpunkt ihres Kindes beim Kindesvater sein und das Sorgerecht von ihnen weiterhin gemeinsam ausgeübt werden soll. Zugleich haben sie einen vom Senat gebilligten Vergleich zur Regelung des Umgangs der Kindesmutter mit dem gemeinsamen Sohn getroffen.

Am 13.10.2016 hat die Kindesmutter nach außergerichtlich über die Verfahrensbevollmächtigten umfangreich geführter Korrespondenz zwischen den Kindeseltern beim Familiengericht ein Vermittlungsverfahren nach § 165 FamFG mit der Begründung eingeleitet, dass der Kindesvater sich nicht an die getroffene Umgangsvereinbarung halte. Für das Verfahren hat sie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten beantragt.

Mit Beschluss vom 21.11.2016 hat das Familiengericht der Kindesmutter Verfahrenskostenhilfe für das - durch eine im Termin des Familiengerichts vom 24.11.2016 unter Mitwirkung des Jugendamts und beider Verfahrensbevollmächtigter von den Kindeseltern getroffene Vereinbarung erfolgreich abgeschlossene - Vermittlungsverfahren bewilligt, jedoch die Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass im Rahmen eines Vermittlungsverfahrens nach § 165 FamFG die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Verfahrenskostenhilfe nach herrschender Ansicht regelmäßig ausscheide.

Die Kindesmutter, der dieser Beschluss am 22.11.2016 zugestellt worden ist, wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 22.12.2016 gegen die Ablehnung der Beiordnung.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 76 Abs. 2 FamFG i. V. mit §§ 127 Abs. 2, 567 ff ZPO) und begründet. Das Familiengericht hat die Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter im Rahmen der Verfahrenskostenhilfebewilligung zu Unrecht abgelehnt.

Gemäß § 78 Abs. 2 FamFG wird dann, wenn - wie dies im Vermittlungsverfahren nach § 165 FamFG der Fall ist (vgl. §§ 111 Nr. 2, 112, 114 Abs. 1 FamFG) - eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, dem Beteiligten auf seinen Antrag ein vertretungsbereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Bei der gebotenen objektiven Bemessung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage ist nach § 78 Abs. 2 FamFG nicht nur auf die Ermittlung der tatsächlichen Umstände, sondern auch auf die rechtliche Einordnung abzustellen. Jeder der genannten Umstände, die Schwierigkeit der Sachlage oder die Schwierigkeit der Rechtslage, kann also für sich genommen die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe erforderlich machen. Daneben sind bei der Beurteilung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Sinne von § 78 Abs. 2 FamFG auch subjektive Umstände zu berücksichtigen, insbesondere die Fähigkeit der Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken. Auch wenn der Grundsatz der Waffengleichheit kein allein entscheidender Gesichtspunkt für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe mehr ist, kann zudem der Umstand der anwaltlichen Vertretung anderer Beteiligter ein Kriterium für die Erforderlichkeit zur Beiordnung wegen Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage sein. Ob die Beiordnung im Sinne von § 78 Abs. 2 ...

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