Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten für einen Detektiv als erstattungsfähige Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kosten eines vor dem Rechtstreits von einer Partei eingeholten Privatgutachtens sind ausnahmsweise zu erstatten, wenn ein solches Gutachten gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben wurde (Prozessbezogenheit); dabei wird grundsätzlich ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Gutachten und Rechtsstreit zu verlangen sein.

2. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für Detektivkosten, die eine Partei veranlasst, um zeitnah und prozessbezogen einem Verdacht der Unfallmanipulation nachzugehen.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Beschluss vom 17.06.2015; Aktenzeichen 2 O 761/12)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2. wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Bremen vom 17.6.2015 abgeändert. Die von der Klägerin an die Beklagte zu 2. zu erstattenden Kosten werden auf EUR 1.712,05 festgesetzt und sind - wie im Kostenfestsetzungsbeschluss angegeben - zu verzinsen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt EUR 630,70.

 

Gründe

Das LG hat zu Unrecht die der Beklagten zu 2. in der Verkehrsunfallsache entstandenen Ermittlungskosten i.H.v. EUR 630,70 (Kosten des Detekteibüros [...]) als nicht erstattungsfähig abgesetzt. Diese Kosten waren zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Beklagten zu 2. notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind die Kosten eines vor dem Rechtstreits von einer Partei eingeholten Privatgutachtens nur ausnahmsweise zu erstatten (Senat, Beschl. v. 28.3.2008 - 2 W 41/08 -, Beschl. v. 12.6.2015 - 2 W 32/15). Voraussetzung ist, dass ein solches Gutachten gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben wurde (Prozessbezogenheit), wobei es genügt, dass sich der Rechtsstreit einigermaßen konkret abzeichnet (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.2008 - Az. VI ZB 16/08). Dabei wird allerdings grundsätzlich ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Gutachten und Rechtsstreit zu verlangen sein (s. Senat, a.a.O.).

Dabei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob es um Kosten für ein Privatgutachten oder - so, wie es hier der Fall war - um Detektivkosten geht. In beiden Fällen sind die relevanten Gesichtspunkte die gleichen. Es geht jeweils um prozessbezogene Sachverhaltsermittlung, wie sie im Rahmen einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig erscheint.

Vorliegend besteht jedenfalls ein enger Bezug der von der Beklagten zu 2. veranlassten Ermittlung zu dem Rechtsstreit. Der streitgegenständliche Verkehrsunfall ereignete sich am 13.7.2011. Die Klägerin forderte die Beklagte zu 2. am 20.7.2011 außergerichtlich zur Zahlung auf und erhob am 21.5.2015 Klage. Sie veranlasste die Beklagte zu 2. mit ihrem Vorgehen, sich an ein Detekteibüro zu wenden, um von dort aus Ermittlungen durchführen zu lassen, auf deren Ergebnis sie sich im Rahmen ihrer Klageerwiderung bezog.

Der zeitliche Zusammenhang wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klage erst am 9.5.2015 eingereicht wurde. Würde man allein auf diesen letztgenannten Aspekt abstellen, hätte es der Kläger in der Hand, allein durch Zuwarten mit der Klageerhebung, die dann erst zu einem späten Zeitpunkt erfolgt, den zeitlichen Zusammenhang eines von der Gegenseite vorgelegten Privatgutachtens und damit dessen Prozessbezogenheit und die Erstattungsfähigkeit im Rahmen des § 91 ZPO zu zerstören. Es kommt vielmehr darauf an, welche Maßnahmen aus Sicht einer verständigen, wirtschaftlich denkenden Partei aus damaliger Sicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren.

Eine Prozessbezogenheit wäre allerdings zu verneinen, wenn ein Gutachten lediglich der allgemeinen und eher routinemäßigen Prüfung der Frage, ob es sich um ein vorgetäuschtes Versicherungsereignis handelte und damit der Prüfung der Einstandspflicht der Beklagten diente (Senat, Beschl. v. 4.3.2011 - 2 W 99/10). Eine solche Prüfung hat die Versicherung grundsätzlich in eigener Verantwortung vorzunehmen und den dadurch entstehenden Aufwand deshalb grundsätzlich auch selbst zu tragen (vgl. BGH NJW 2008, 1597 f.). Ein Gutachten muss gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben und damit "prozessbezogen" sein (BGH NJW 2003, 1398 ff.). Prozessbezogenheit wird bejaht, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht eines versuchten Versicherungsbetruges vorhanden sind, weil dann von Anfang an damit zu rechnen ist, dass es zum Prozess kommt (BGH MDR 2009, 231 f.; OLG Celle, Beschl. v. 10.1.2011 - 2 W 8/11 - zitiert nach juris). Dasselbe gilt nicht nur für Gutachten, sondern grundsätzlich ebenso - wie oben bereits dargestellt - für andere kostenauslösende Ermittlungstätigkeiten.

Vorliegend bestanden, wie die Bekl. zu 2. bereits in ihrer Klagerwiderung aufgeführt und im Einzelnen dargestellt, aufgrund zahlreiche Indizien, die für ei...

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