Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des Umgangsrechts "enger Bezugspersonen" im Sinne des § 1685 Abs. 2 BGB (hier: Geschwister des Kindesvaters) mit dem Kind

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine zum Umgang mit dem Kind berechtigende sozial-familiäre Beziehung enger Bezugspersonen zu dem Kind ist gemäß § 1685 Abs. 2 S. 1 BGB anzunehmen, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben.

2. Ein von der Feststellung des Bestehens einer sozial-familiären Beziehung unabhängiges Umgangsrecht steht nach der gesetzlichen Regelung lediglich den Großeltern und Geschwistern des Kindes sowie dem leiblichen Vater, der nicht rechtlicher Vater ist, zu, nicht jedoch den Geschwistern der Kindeseltern.

3. Allein ein nur kurzzeitiges, einer Notsituation geschuldetes Zusammenleben (hier viermonatiges Zusammenleben der Kinder mit Geschwistern des Kindesvaters während einer Bürgerkriegssituation im Heimatland) kann eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne von § 1685 Abs. 2 BGB nicht begründen.

 

Normenkette

BGB § 1685 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bremerhaven (Aktenzeichen 154 F 717/19)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremerhaven vom 24.10.2019 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR gesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die aus Syrien stammenden Antragsteller begehren Umgang mit den drei im Rubrum genannten, ebenfalls aus Syrien stammenden Kindern. Sie sind Geschwister des Kindesvaters, der wegen der Tötung der Kindesmutter eine langjährige Freiheitsstrafe verbüßt.

Die elterliche Sorge für alle drei Kinder ist vom Amtsgericht Bremerhaven auf das Jugendamt als Vormund übertragen worden ([...]). Die Kinder leben in einer Pflegefamilie. Unter der Geschäftsnummer [...] führt das Amtsgericht ein das Umgangsrecht des Kindesvaters betreffendes Verfahren.

Die Antragsteller haben erstinstanzlich vorgetragen, dass zwar sicherlich im Rahmen der "Familientragödie" die Entwicklungen der Kinder mit zu berücksichtigen seien, andererseits sei es auch im Interesse der minderjährigen Kinder geboten, zumindest entsprechende Umgangskontakte nach Rücksprache mit dem Jugendamt zu regeln. Die Kinder seien arabischer Abstammung. Eine "Verdeuschtung" müsse unbedingt verhindert werden.

Die Amtsvormundin ist den Anträgen erstinstanzlich vor allem mit der Begründung entgegengetreten, die Antragsteller seien den Kindern nicht persönlich bekannt.

Die drei betroffenen Kinder haben im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch den Amtsrichter geäußert, keinen Kontakt zu den Verwandten des Vaters zu wünschen. Die beiden älteren Kinder haben zudem erklärt, sich nicht an die Verwandten des Vaters erinnern zu können.

Die Antragstellerin persönlich hat in der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts vom 24.10.2019 angegeben, dass sie sich Umgang mit den Kindern wünsche, weil die Kinder zu ihrer Familie gehörten. Zuvor habe jedoch kein so enger Kontakt bestanden.

Die vom Amtsgericht bestellte Verfahrensbeiständin hat sich in der Sitzung vom 24.10.2019 gegen die Anordnung von Umgangskontakten ausgesprochen.

Das Amtsgericht hat die Anträge der Antragsteller mit Beschluss vom 24.10.2019 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nicht feststellbar sei, dass zwischen den Antragstellern und den Kindern eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des § 1685 Abs. 2 BGB bestehe. Zudem sei nicht feststellbar, dass die Umgangskontakte derzeit dem Wohl der Kinder dienten.

Gegen diese, ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 1.11.2019 zugestellte Entscheidung wenden sich die Antragsteller mit ihren am 2.12.2019, einem Montag, beim Amtsgericht eingelegten Beschwerden. Zur Begründung führen sie aus, dass sie neben dem Kindesvater die einzigen in Deutschland lebenden Verwandten der Kinder seien. Der Kontakt mit ihnen diene der Identitätsfindung der Kinder und damit dem Kindeswohl, weswegen der Begriff der sozial-familiären Beziehung im vorliegenden Fall weit auszulegen sei. Die Antragstellerin behauptet in zweiter Instanz, sie habe, als die Kriegssituation in Aleppo eskaliert sei, vier Monate mit den Kindeseltern zusammengewohnt und dabei die Kinder täglich gesehen.

II. Die gemäß § 58 FamFG statthaften und auch im Übrigen Beschwerden der Antragsteller haben in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht die Anträge der Antragsteller auf Anordnung eines Umgangsrechts mit den drei im Rubrum genannten Kindern zurückgewiesen.

Die nach §§ 58 ff. BGB statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsteller ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

1. Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass zwischen den Antragstellern und den Kindern die nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut für das Bestehen eines Umgangsrechts erforderliche sozial-familiäre Beziehung nicht vorliegt.

Eine sozial-familiäre Beziehung enger Bezugspersone...

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