Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung eines verfügungsaufhebenden Urteils im Schadensersatzprozess

 

Leitsatz (amtlich)

Der im Verfügungsverfahren ergangenen Entscheidung kommt keine materielle Rechtskraft für den Schadensprozess zu.

 

Normenkette

ZPO §§ 935-937, 945

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Urteil vom 18.04.2017; Aktenzeichen 6 O 380/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 18.04.2017 zu Az. 6 O 380/16 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 406.000,92 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen einer nach Auffassung der Klägerin ungerechtfertigten Anordnung einer einstweiligen Verfügung, durch die ihr auf Antrag der Beklagten die Beherbergung von Flüchtlingen in ihrem Hotel- und Ferienwohnungskomplex untersagt worden war.

Die Klägerin betreibt seit dem Jahr 2004 ein Hotel in dem Gebäudekomplex P.straße in G., Ortsteil H.. Dieser wurde ausweislich Ziffer I.3. der notariellen Teilungserklärung vom 30.04.1976 in der Rechtsform des Wohn- und Teileigentums errichtet. Das Wohnungseigentum besteht aus 134 einzelnen Apartments und dem aus einem Restaurant mit Café und Bierkeller bestehenden Teileigentum, das nach Ziffer V. § 1 Nr. 2 der Teilungserklärung zu gastronomischen Zwecken genutzt wird.

Die mit der Klägerin verbundenen Firmen E. GmbH, H. GmbH und H. AG sind Eigentümer des Teileigentums und von dreiundsechzig Wohneinheiten. Darüber hinaus hatte die Klägerin für die Dauer vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2015 fast alle weiteren Apartments der anderen Wohnungseigentümer zur Erweiterung des Hotelbetriebs gepachtet und die wesentliche Unterhaltung der Gemeinschaftsanlagen übernommen, wozu unter anderem ein Schwimmbad, eine Sauna, ein Fitnessraum, Tiefgaragen, eine Klima-, Telefon- und Heizungsanlagen gehören.

Am 14./18.09.2015 schloss die Klägerin mit dem Land N., vertreten durch das Ministerium für Inneres, einen Vertrag über die Unterbringung und Verpflegung von bis zu 300 Personen in bis zu 104 Zimmern in dem Zeitraum vom 21.09.2015 bis zum 31.12.2015 und von bis zu 210 Personen in bis zu 58 Zimmern für das Jahr 2016, wobei vorrangig geflüchtete syrische Familien beherbergt werden sollten. Am 21.09.2015 nahm sie 256 Flüchtlinge aus dem Grenzdurchgangslager F. auf und stellte den Betrieb des Schwimmbades, des Sauna- und Fitnessbereichs sowie das öffentliche Angebot zur Nutzung des Restaurants, eines Kosmetikstudios und der Tiefgaragen ein.

Gegen die Beherbergung der Flüchtlinge wandten sich die Beklagten, die Eigentümer von insgesamt elf Wohneinheiten in dem betroffenen Gebäudekomplex sind, von denen sie bis zum 31.12.2015 ebenfalls acht an die Klägerin vermietet hatten und drei weitere Einheiten gesondert als Ferienwohnungen anboten. Auf ihren Antrag erließ das Amtsgericht Goslar die einstweilige Verfügung vom 21.09.2015 zu Az. 27 C 25/15 und untersagte der Klägerin, die Räumlichkeiten in dem Objekt P.straße dem n. Innenministerium für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Außerdem wurde die Klägerin verpflichtet, bereits erfolgte Belegungen unverzüglich zu beenden. Daraufhin wurden die bereits im Hotel untergebrachten Personen in den folgenden Wochen nach und nach in andere Unterkünfte verlegt und zunächst keine weiteren Flüchtlinge, später nur noch vereinzelt syrische Familien aufgenommen

Auf den Widerspruch der Klägerin vom 29.09.2015 stellte das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung vom 21.09.2015 mit Beschluss vom 30.09.2015 vorläufig ein, hob die Einstellung der Vollstreckung nach mündlicher Verhandlung vom 12.10.2015 jedoch wieder auf und bestätigte die einstweilige Verfügung durch Urteil vom 15.10.2015. Auf die Berufung der Klägerin und deren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom selben Tag stellte das Landgericht Braunschweig mit Beschlüssen vom 16.10.2015 und 28.10.2015 zu Az. 6 S 409/15 die Zwangsvollstreckung erneut ein, hob mit Urteil vom 08.12.2015 die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Goslar vom 21.09.2015 auf und wies den Eilantrag der Beklagten zurück. Daraufhin wurden seitens des Landes N. noch im selben Monat 190 Personen aus einer provisorischen Flüchtlingsunterkunft in H. in dem Hotel der Klägerin untergebracht und ab dem 01.01.2016 Flüchtlinge in einer dem Beherbergungsvertrag entsprechenden Anzahl aufgenommen.

Gegenüber dem Land N. rechnete die Klägerin für die Zeit vom 21.09. bis 31.12.2015 insgesamt 20.227 statt ursprünglich geplante 30.600 Übernachtungen ab. Mit Schreiben vom 18.12.2015 forderte sie die Bekl...

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