Leitsatz (amtlich)

1. Das Treuhänderverfahren nach § 172 Abs. 2 VVG ist nicht nur bei Risikolebensversicherungsverträgen, sondern bei allen Arten von Lebensversicherungsverträgen anwendbar.

2. § 172 Abs. 2 VVG konkretisiert eine gesetzliche Vorschrift i.S.d. § 6 Abs. 2 AGBG (a.F.) bzw. § 306 Abs. 2 BGB (n.F.) und begegnet aufgrund der sich daraus ergebenden Prüfungsanforderungen an den Treuhänder im Ersetzungsverfahren keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Verfahrensgang

LG Göttingen (Urteil vom 25.02.2003; Aktenzeichen 2 O 489/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.07.2007; Aktenzeichen IV ZR 258/03)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Göttingen vom 25.2.2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 5.368,65 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Rückzahlung geleisteter Versicherungsprämien. Am 1.3.1998 schloss die Klägerin bei der Beklagten sechs kapitalbildende Lebensversicherungen unter Einbeziehung der damaligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten (AVB) mit einem monatlichen Beitrag von jeweils 50 DM ab. Nachdem der BGH zwei Klauseln eines anderen Versicherers, die auch die Beklagte in identischer Form verwendet hat (§§ 6 Abs. 3, 15 AVB), für unwirksam erklärt hatte, führte die Beklagte ein Treuhänderverfahren mit dem Ziel der Klauselersetzung nach § 172 Abs. 2 VVG durch. Mit Schreiben vom 14.2.2002, welches der Klägerin am 21.2.2002 zuging, teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis dieses Verfahrens mit. Die Klägerin, die nicht an den Verträgen festhalten wollte, kündigte diese daraufhin mit Schreiben vom 16.5.2002 und forderte vergeblich die Rückzahlung der bisher geleisteten Prämien. Mit Urt. v. 25.2.2003 wies das LG Göttingen ihre Klage auf Rückzahlung der Prämien mit der Begründung ab, dass nach einer Kündigung gem. § 176 VVG nur der Rückkaufswert zu erstatten sei, dieser aber unstreitig „0” Euro betrage. Wegen weiterer Einzelheiten zu den tatsächlichen Feststellungen und zur rechtlichen Begründung wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen. Gegen dieses der Klägerin am 25.2.2003 zugestellte Urteil hat sie am 24.3.2003 Berufung eingelegt und diese mit einem am 15.4.2003 bei Gericht eingegangen Schriftsatz begründet.

Sie trägt vor: Das LG sei rechtsirrig davon ausgegangen, dass § 6 Abs. 2 AGBG zur Anwendung komme und sich der Inhalt des Vertrages nach § 176 VVG richte. Die aufgrund der Nichtigkeit von §§ 6 Abs. 3, 15 AVB entstandene Lücke könne nicht über § 6 Abs. 2 AGBG geschlossen werden, weil es eine gesetzliche Regelung zur Bestimmung des Rückkaufswertes, der Höhe der Abschlusskosten und der Zeitdauer ihrer Verrechnung nicht gebe. Die gesetzliche Regelung des § 176 VVG bedürfe insoweit der Ergänzung.

Die Parteien hätten diesbezüglich keine vertragliche Regelung getroffen. Eine solche Vereinbarung ergebe sich insb. auch nicht aus den Abschlusskosten- und Rückkaufswertklauseln in den Versicherungsbedingungen, da diese weder den Umfang der von den Parteien geschuldeten Leistungen regelten noch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten enthielten. Eine ergänzende Vertragsauslegung komme nicht in Betracht, weil diese nur im Einzelfall erfolgen könne, während es sich hier um eine Regelung in einem Massenvertrag handele, bei der das Bedürfnis nach einer allgemein gültigen Vertragsregelung bestehe. Im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung könne insb. auch keine mit den unwirksamen Klauseln inhaltsgleiche Regelung geschaffen werden. Dieser Gedankengang denaturiere den Parteiwillen der Klägerin und verhindere den gesetzlich gewollten Anreiz für den Klauselverwender, von vornherein transparente Regelungen zu formulieren. Zudem stehe die Rentenversicherung in einem Wettbewerb mit anderen Geldanlagen, so dass der Kunde auf Informationen angewiesen sei, die ihm einen Vergleich ermöglichten. Diesem Informationsbedürfnis trügen die unwirksamen Klauseln nicht hinreichend Rechnung, so dass schon die Entscheidungsfreiheit der Klägerin bei der Produktauswahl betroffen gewesen sei. Nähme man nun im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine inhaltsgleiche Regelung vor, zwänge man dem Versicherungsnehmer im Nachhinein eine Kapitalanlage auf, die er so möglicherweise gar nicht gewollt habe. Folglich sei von einer Gesamt-Nichtigkeit des Vertrages auszugehen, da nach dem Wegfall der zwei Klauseln weder durch das dispositive Recht noch durch eine ergänzende Vertragsauslegung ein sinnvoll auszuführender Vertragsrest verbliebe. Unabhängig davon sei das Ersetzungsverfahren nach § 172 VVG durch die Beklagte nicht wirksam durchgeführt worden. § 172 Abs. 2 ...

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