Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers eines Feldweges und Pflichten eines Quad-Fahrers in eigener Sorgfalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers eines Wirtschaftsweges entfällt nicht schon deshalb, weil der Weg nicht als öffentliche Straße im Sinne des Niedersächsischen Straßengesetzes gewidmet ist. Sofern es sich um einen lediglich tatsächlich öffentlichen, aber befestigten Wirtschaftsweg handelt, der auch von zweispurigen nicht geländegängigen Kraftfahrzeugen befahren werden kann, ist auf ihm als Fahrweg gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 NWaldLG (Niedersächsisches Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung) ein Befahren mit Kraftfahrzeugen grundsätzlich gestattet. Den Eigentümer eines solchen Wirtschaftsweges trifft insoweit eine Verkehrssicherungspflicht für Gefahren, die nicht natur-, wald- oder bewirtschaftungstypisch sind.

2. Das Lagern eines 80-90 cm hohen Schotterhaufens auf einem solchen Wirtschaftsfahrweg über dessen gesamte Breite schafft eine nicht natur-, wald- oder bewirtschaftungstypische Gefahr und stellt damit eine Verkehrssicherungspflichtverletzung seines Eigentümers dar. Ist der Eigentümer eine Feldmarkinteressentenschaft, ist deren Verkehrssicherungspflichtverletzung auch ihrem Vorstand zuzurechnen.

3. Ein Quad-Fahrer, der bei guten Sicht- und Witterungsverhältnissen im Verlauf einer Geraden von über 100 m, die er auf einem Wirtschaftsfahrweg durch die Feldmark befährt, mit einer Geschwindigkeit von 60-70 km/h ungebremst in einen auf dem Weg von Weitem erkennbar gelagerten 80-90 cm hohen Schotterhaufen gerät und dadurch mit dem Quad stürzt, trifft hinsichtlich der Schadensentstehung ein so hohes Mitverschulden, dass die Haftung des Eigentümers des Wirtschaftsweges aus Verkehrssicherungspflichtverletzung dahinter vollständig zurücktritt.

 

Normenkette

BGB §§ 31, 89, 249, 253-254, 421, 823 Abs. 1-2, § 840; StGB § 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4; WaldG ND §§ 1-2, 25 Abs. 2 S. 2, § 30

 

Verfahrensgang

LG Göttingen (Urteil vom 30.05.2018; Aktenzeichen 10 O 20/17)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 30.05.2018 - 10 O 20/17 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.

Das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 30.05.2018 - 10 O 20/17 - ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf 20.545,99 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger befuhr am 04.08.2017 gegen 19:30 Uhr im ländlichen Bereich einen durch Felder verlaufenden geschotterten Wirtschaftsweg der beklagten Feldmarkinteressenschaft, der Beklagten zu 2.). Der Beklagte zu 1.) ist deren Vorstand. Auf dem Wirtschaftsweg hatte die Beklagte zu 2.) für Ausbesserungsarbeiten Schotter gelagert. Dieser nahm als ein Haufen mit einer Höhe von 80-90 cm die gesamte Wegbreite ein, und zwar in dessen Verlauf einer über 100 m langen Geraden. Der Kläger fuhr auf dieser Geraden mit einer Geschwindigkeit von 60-70 km/h ungebremst in den Schotterhaufen, wodurch er mit seinem Quad stürzte. Der Kläger zog sich dabei Prellungen und Hautabschürfungen zu, musste eine zeitweise eine Halskrause tragen und war mehrere Wochen arbeitsunfähig. An dem Quad entstand erheblicher Sachschaden.

 

Entscheidungsgründe

I. Der Kläger begehrt von den Beklagten gesamtschuldnerisch Schadensersatz, Schmerzensgeld und Feststellung der Erstattungspflicht weiterer materieller Schäden aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung.

Wegen des Sach- und Streitstandes der I. Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen landgerichtlichen Urteils (Seite 2 - 4, Blatt 86 - 88 d. A.) verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld gemäß §§ 823, 253 BGB zu. Der Beklagte zu 1 sei als Privatperson in Bezug auf den in Rede stehenden Weg nicht verkehrssicherungspflichtig gewesen. Die Verkehrssicherungspflicht treffe die Beklagte zu 2 als Eigentümerin des Weges. Die Anweisung, den Schotter auf dem Weg zu lagern, habe der Beklagte zu 1 als Vorsitzender der Beklagten zu 2 erteilt. Diese hafte gemäß § 31 BGB für das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln ihres Organs.

Die Beklagte zu 2 habe die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Sie habe durch die Lagerung der Schotterhaufen eine Gefahrenquelle - in Form eines Hindernisses auf dem Weg - geschaffen. Diese Gefahrenquelle sei nicht durch geeignete Warnschilder oder sonstige Maßnahmen als Hindernis kenntlich gemacht worden. Darauf, ob der Kläger den Weg mit seinem Quad befahren durfte, komme es nicht an. Da das Befahren nicht mittels eines Verkehrsschildes untersagt gewesen ...

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