Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem niedergelassenen Kassenarzt handelt es sich um einen Beauftragten des geschäftlichen Betriebes einer Krankenkasse i.S.d. § 299 StGB, soweit es um die Verordnung von Medikamenten geht.

2. Als Unrechtsvereinbarung i.S.d. § 299 StGB kommen insbesondere Verstöße gegen die in § 11 Abs. 1 Arzneimittelgesetz verbotenen Handlungen (Rechtsgeschäfte oder Absprachen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben) in Betracht.

 

Normenkette

StGB a.F. § 299

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Entscheidung vom 21.12.2009)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen den Beschluss der großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig vom 21. Dezember 2009 wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt, die auch die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeschuldigten zu tragen hat.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Braunschweig bleibt ohne Erfolg, jedenfalls derzeit besteht kein dringender Tatverdacht, dass der Angeschuldigte sich gemäß § 299 Abs. 2, 300 Abs.1, 53 StGB strafbar gemacht hat. Zwar teilt der Senat die Auffassung der Strafkammer nicht, bei Vertragsärzten handele es sich nicht um Beauftragte i. S. des § 299 StGB, allerdings besteht jedenfalls nach derzeitigem Ermittlungsergebnis kein hinreichender Tatverdacht dahingehend, dass eine entsprechende Unrechtsvereinbarung zwischen dem Angeschuldigten und den Ärzten Dr. X geschlossen wurde.

1. Die große Strafkammer stützt ihren Nichteröffnungsbeschluss im Wesentlichen darauf, dass es sich bei einem niedergelassenen Kassenarzt nicht um einen Beauftragten der Krankenkassen i. S. d. § 299 StGB handele. Zum Streitstand dieser Frage wird auf den angegriffenen Beschluss Bezug genommen.

Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei einem niedergelassenen Kassenarzt um einen Beauftragten i. S. d. genannten Vorschrift des geschäftlichen Betriebes der Krankenkassen. Ein Beauftragter in diesem Sinne ist, wer ohne Geschäftsinhaber oder Angestellter zu sein, aufgrund seiner Stellung berechtigt und verpflichtet ist, für den Betrieb zu handeln und auf die betrieblichen Entscheidungen Einfluss zu nehmen (vgl. Heine aus Schönke/Schröder ‚StGB‚, 27. Aufl. 2006, § 299 Rn. 8 ff.). Die Beauftragtenstellung eines Kassenvertragsarztes zeigt sich bereits in dem Rechtsverhältnis zwischen den Krankenkassen, den Kassenärzten, den Kassenpatienten und den Apotheken bei der Verordnung von Medikamenten, um die es hier geht. Nach § 27 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V haben die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankenbehandlung. Als Bestandteil der Krankenbehandlung sind Arznei, Verband, Heil und Hilfsmittel als Sachleistung zu erbringen. Ein derartiger Sachleistungsanspruch kann grundsätzlich nur dadurch begründet werden, dass ein Vertragsarzt das Arzneimittel auf Kassenrezept verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernimmt, da die §§ 31 ff. SGB V keine unmittelbar durchsetzbaren Ansprüche gewähren, sondern lediglich ausfüllungsbedürftige Rahmenrechte darstellen. Ein bestimmtes Arzneimittel kann der Versicherte daher erst dann beanspruchen, wenn es ihm als ärztliche Behandlungsmaßnahme in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts zum Vertragsarzt als einem mit öffentlichrechtlicher Rechtsmacht ‚beliehenen‚ Verwaltungsträger verschrieben wird. Bei Verordnung einer Sachleistung gibt der Vertragsarzt mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse die Willenserklärung zum Abschluss eines Kaufvertrages über die verordneten Medikamente ab. man kann ihn durchaus als ‚Schlüsselfigur der Arzneimittelversorgung‚ bezeichnen. Der Apotheker, dem das Kaufvertragsangebot der Krankenkasse mit Vorlage der Kassenärztlichen Verordnung durch die Versicherten angetragen wird, nimmt dieses an, indem er dem Versicherten das verordnete Arzneimittel aushändigt. Es handelt sich um einen zwischen der Krankenkasse und dem Apotheker - unter Einschaltung des Vertragsarztes als Vertreter der Krankenkasse - geschlossenen Vertrage zugunsten der Versicherten. Dem Apotheker obliegt bei Vorlage des Kassenärztlichen Rezeptes zwar eine eigenständige, aber begrenzte Prüfungspflicht, insbesondere obliegt ihm nicht die Überprüfung, ob die Verschreibung sachlich begründet ist. Verstoßen Vertragsärzte gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten, so kann die Kassenärztliche Vereinigung Maßnahmen anregen, bzw. die Entziehung der Zulassung beantragen (vgl. hierzu BGHSt 49, 17 ff.. Pragal aus NStZ 2005, 133 ff.. BSGE 73, 271 ff.). Der Kassenvertragsarzt ist also auf Grund der ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgabe berechtigt und verpflichtet, für den Betrieb - hier die Krankenkassen - zu handeln. Durch die Art und Menge der von ihm verordneten Medikamente nimmt er damit erheblich auf die betrieblichen Entscheidungen Einfluss. Er ist verantwortlich und maßgeben...

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