Leitsatz (amtlich)

1. Ein Betonhersteller, der Fertigbeton an einen nicht gewerblichen Abnehmer (hier: Heimwerker) ausliefert, ist verpflichtet, auf die mit der Verarbeitung von Frischbeton verbundene Gefahr einer alkalischen Verätzung der einem unmittelbaren Kontakt mit dem Flüssigbeton ausgesetzten Hautpartien hinzuweisen (im Anschluss an OLG Düsseldorf v. 7.11.1989 - 4 U 69/88, NJW-RR 1991, 288; OLG Celle v. 29.1.2003 - 9 U 176/02, VersR 2004, 864).

2. Zu einem für die Herstellerseite vorhersehbaren Fehlgebrauch eines Heimwerkers gehört beispielsweise auch, dass der - keine geeignete Schutzkleidung tragende - Kunde bei der Verarbeitung des bestellten Frischbetons handwerklich ungeschickt vorgeht und sich beim Glattstrich in die Betonmasse regelrecht "hineinkniet".

3. Zur Bemessung und Abwägung des Mitverschuldensanteils des Kunden in einem solchen Fall.

 

Verfahrensgang

LG Bayreuth (Aktenzeichen 32 O 492/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen beider Parteien wird das Endurteil des Landgerichts Bayreuth abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Schmerzensgeld 6.000,-- Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.7.2005 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeweils in Höhe von 2/3 sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm im Zusammenhang mit der Verarbeitung des am 30.9.2004 von der Beklagten angelieferten Frischbetons in Zukunft noch entstehen werden, soweit Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Im übrigen werden beide Berufungen jeweils zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Kläger 5/8 und die Beklagte 3/8 zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

VI. Der Berufungsstreitwert wird auf 25.000,-- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein diplomierter Betriebswirt, verlangt von der Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz für Hautverletzungen, die er sich bei der Verarbeitung des von der Beklagten hergestellten und angelieferten Fertigbetons am 30.9.2004 zugezogen hat.

Sofort nach der Anlieferung auf seinem Privatgrundstück gegen 9.00 Uhr hatte der Kläger den Frischbeton zunächst mit Schaufel und Rechen auf dem Boden seiner Garage verteilt und geglättet. Den abschließenden Glattstrich hatte der mit Jeans und Winterstiefeln bekleidete Kläger bis etwa gegen 12.00 Uhr in der Weise vorgenommen, dass er in kniender Haltung mit Kelle und Trauchtel den Beton abzog, wobei er mit den Knien wiederholt mehrere Zentimeter tief in die Betonmasse einsank mit der Folge, dass die Jeanshose alsbald durchweicht war. Als sich der Kläger gegen 14.00 Uhr duschen wollte, bemerkte er an beiden Beinen im Bereich der Knie und der Unterschenkel großflächige - überwiegend tiefschwarze - Hautverfärbungen. Es handelte sich hierbei um alkalische Verätzungen 3. Grades, die zunächst bis 6.10.2004 stationär im städtischen Krankenhaus und anschließend bis zum 11.11.2004 im Klinikum A. versorgt wurden, wo - überwiegend auf der Station für Brandverletzungen - mehrere Hauttransplantationen erfolgten. Hieran schloss sich ein mehrwöchiger Aufenthalt in einem Rehabilitationszentrum bis zum 21.12.2004 an.

Auf der Grundlage der vom Landgericht erholten Gutachten steht es zwischen den Parteien nicht mehr in Streit, dass die vom Kläger erlittenen Hautschäden auf das -einem ph-Wert von über 12 entsprechende - alkalische Verätzungspotential des von ihm verarbeiteten Fertigbetons zurückzuführen sind.

Nach Beweisaufnahme hat das Landgericht - unter Abweisung der Klage im übrigen - auf der Grundlage einer Mithaftungsquote von 1/3 dem Kläger ein Schmerzensgeld von 3.333,33 Euro samt Verzugszinsen zugesprochen sowie entsprechend dieser Quote die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz zukünftiger materieller Schäden festgestellt.

Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien. Während die verklagte GmbH nach wie vor eine vollständige Abweisung der Klage erreichen möchte, weil ihre Haftung schon dem Grunde nach nicht gegeben sei, verfolgt die Klägerseite ihre ursprünglichen Anträge unverändert weiter.

Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des Ersturteils sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt den beigefügten Urkunden und sonstigen Anlagen abgesehen (§§ 313 a I; 540 II ZPO).

II. Beide Berufungen sind statthaft und auch im übrigen zulässig (§§ 511 ff. ZPO). Während das Rechtsmittel der Beklagtenseite im wesentlichen unbegründet ist und sich deshalb nur in einer Verschiebung des Zinsbeginns niederschlägt, erzielt die klägerische Berufung einen Teilerfolg, der auf einer maßvollen Erhöhung des vom Landgericht zugesprochenen Schmerzensgeldes beruht.

A. Berufung der Beklagten

Vergebens wendet sich die Beklagte dagegen, dass das...

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