Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt bei praktiziertem Wechselmodell im Rahmen der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Praktizieren Eltern ein Wechselmodell und weichen von dem Residenz- oder Eingliederungsmodell mit bloßen Besuchen bei dem anderen Elternteil ab, ist der Bedarf der minderjährigen Kinder nicht mit Hilfe der Düsseldorfer Tabelle allein nach dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils zu bemessen.

Bei Praktizierung des Wechselmodells ist der Bedarf minderjähriger Kinder vielmehr konkret nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen beider Eltern unter Berücksichtigung der Mehrkosten zu ermitteln, die durch den ständigen Wechsel der Kinder von einem in den anderen Haushalt entstehen.

2. Bei Ermittlung der Haftungsanteile der Eltern dürfen nicht nur ihre unterhaltsrelevanten Einkünfte ins Verhältnis gesetzt werden. Vielmehr ist ein gleich hoher Sockelbetrag vorher abzusetzen, um ungleiche Belastungen bei erheblichen Unterschieden der vergleichbaren Einkünfte zu vermeiden.

 

Normenkette

BGB § 1629 Abs. 2 S. 2, §§ 1601, 1606 Abs. 3 S. 2, § 1610 Abs. 1-2, § 1634

 

Verfahrensgang

AG Bamberg (Urteil vom 04.12.2003; Aktenzeichen 1 F 1176/03)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG - FamG - Bamberg vom 4.12.2003 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Klägerinnen nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

gem. § 540 Abs. 1 ZPO

I. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen und des Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen auf das angefochtene Endurteil des AG - FamG - Bamberg vom 4.12.2003 (§§ 50 ff. ZPO). Zu ergänzen ist, dass die Klägerinnen sich während einer Hälfte ihrer Schulferien beim Beklagten, während der anderen Hälfte bei ihrer Mutter aufhalten. Die Elternteile haben während dieser Zeiten etwa gleich hohe Aufwendungen für die Klägerinnen.

Der Beklagte trägt in zweiter Instanz vor, dass die Berechnungmethode des Erstgerichts unzutreffend sei. Beim sog. Wechselmodell hafteten die Eltern anteilig nach Einkommen und Vermögen unter Berücksichtigung ihrer Anteile an der Betreuung. Dabei sei auch die Betreuung der ältesten Tochter durch den Beklagten einzubeziehen. Bei einer so durchgeführten Rechnung ergäbe sich für den Beklagten keine Barunterhaltspflicht.

Der Beklagte beantragt, Abänderung des Ersturteils und Klageabweisung.

Die Klägerinnen beantragen Zurückweisung der Berufung.

Sie sind der Meinung, dass wegen des überwiegenden Aufenthalts der Klägerinnen bei ihrer Mutter (an neun von vierzehn Tagen) die vom Erstgericht gewählte Berechnungsmethode nicht zutreffe. Nur bei geringfügigen Unterschieden des Betreuungsanteiles beider Elternteile wären Naturalleistungen, die über diejenigen eines üblichen Umgangsrechts hinausgingen, zu berücksichtigen. Außerdem begnüge sich der Beklagte mit einer Teilzeitbeschäftigung von 19,25 Stunden, was im Verhältnis zur Mutter der Klägerinnen unzureichend sei. Die Mutter der Klägerinnen habe auch einen hohen Barbedarf zu decken, so z.B. die Musikschulgebühren für die beiden Klägerinnen, Kosten für Instrumente, Zubehör, Notenbücher, für Friseur, neue Kleidung und Schuhe, Schulbedarf, zusätzliche Bücher und Arbeitshefte für das Gymnasium, Kosten für Reiten und Kosmetikbedarf, regelmäßiges Taschengeld, Gebühr für die Stadtbücherei u.a. Die Aufwendungen des Beklagten für die Klägerinnen machten im Verhältnis dazu nur einen Bruchteil aus.

II. Die zulässige (§§ 511 ff. ZPO) Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf laufenden Kindesunterhalt und Rückstände mindestens in der Höhe, wie sie das FamG ausgeurteilt hat. Der Beklagte schuldet monatlichen laufenden Unterhalt i.H.v. 147 EUR und einen Rückstand i.H.v. 2.451 EUR je Klägerin.

1. Die Klage ist zwar zulässig. Die minderjährigen Klägerinnen werden bei der Geltendmachung des Unterhalts von ihrer Mutter gesetzlich vertreten. Zwar ist der Beklagte ebenso wie die Kindesmutter Inhaber der gemeinsamen Sorge. Gleichwohl befinden sich die Klägerinnen in der Obhut der Mutter i.S.v. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt nicht voraus, dass ein Elternteil die alleinige Obhut über das Kind hat; es reicht vielmehr aus, wenn er das Kind jedenfalls überwiegend betreut und versorgt (OLG Düsseldorf FuR 2002, 78 [79]; Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 2 Rz. 31, 6a m.w.N.). Es muss genügen, dass der Anteil eines Elternteils an der Betreuung und Versorgung des Minderjährigen den Anteil des anderen Elternteils geringfügig übersteigt, um die ansonsten notwendige Bestellung eines Ergänzungspflegers mit dem Aufgabenkreis der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen und die dadurch entstehenden...

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