Leitsatz (amtlich)

Medizinisch feststellbare psychische Gesundheitsschäden können Schutzmaßnahmen nach dem GewSchG auslösen, wenn sie vom Täter zumindest billigend in Kauf genommen werden.

Das Elternrecht ist kein Schutzgut nach § 1 GewSchG.

Schutzanordnungen nach § 1 GewSchG wegen Verletzung von Schutzrechten eines unter elterlicher Sorge stehenden Kindes durch einen Elternteil sind unzulässig.

 

Normenkette

GewSchG §§ 1, 3

 

Verfahrensgang

AG Obernburg a.M. (Beschluss vom 12.05.2011; Aktenzeichen 2 F 1059/10)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Obernburg a. Main vom 12.5.2011 (2 F 1059/10) aufgehoben. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass vom Schutzanordnungen nach § 1 Gewaltschutzgesetz gemäß Schriftsatz vom 23.12.2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Beschwerdewert wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien sind die Eltern des Kindes A., geb. 0.0.2003. Die Parteien sind seit dem 5.9.2005 verheiratet. Sie hatten die gemeinsame elterliche Sorge für ihre Tochter. Am 10.4.2007 zog die Antragstellerin mit der Tochter aus dem gemeinsam bewohnten Anwesen in B. aus. Mit Beschluss des AG Würzburg vom 12.6.2007 wurde im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsame Tochter bis zur Entscheidung in der Hauptsache auf die Antragstellerin übertragen. Bevor eine Entscheidung in der Hauptsache erging, brachte der Vater das Kind A. nach einem Umgangswochenende nicht wieder zur Mutter zurück, sondern entführte die Tochter in die Türkei. Der Vater lebte mit der Tochter in C./Türkei, die Tochter besuchte dort den Kindergarten. Im Mai 2010 wurde das Kind aufgrund des HKÜ aus der Türkei nach Deutschland zurückgebracht. Das Kind lebt seitdem bei der Mutter. Der Vater lebt mit seiner Lebensgefährtin in C./Türkei. Er hat in der Türkei eine Sorgerechtsregelung zu seinen Gunsten erwirkt. Die Entscheidung des türkischen Gerichts zum Sorgerecht ist noch nicht rechtskräftig. Mit Beschluss des AG Obernburg a. Main vom 14.12.2010 (002 F 447/10) wurde das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter auf die Mutter übertragen. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Beschluss des OLG Bamberg vom 25.3.2011 zurückgewiesen (2 UF 36/11).

Mit Beschluss des AG Obernburg a. Main vom 16.6.2010 erließ das AG in einem einstweiligen Anordnungsverfahren und im Hauptsacheverfahren Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz (2 F 214/10 und 2 F 405/10). Die Anordnungen wurden bis zum 31.5.2011 befristet.

Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 23.12.2010 beantragte die Antragstellerin, die getroffenen Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz zu verlängern. Des Weiteren wurde beantragt, die Dauer der Anordnung bis zu demjenigen Zeitpunkt zu befristen, zu welchem die vom Antragsgegner angestrengte rechtliche Sorgerechtsregelung in der Türkei, rechtskräftig und mit Rechtskraftvermerk versehen, der vor dem AG Obernburg unter dem Aktenzeichen 2 F 447/10 noch zu entscheidenden Sorgerechtslage entspricht, höchstens bis zum 16. Geburtstag des Kindes A. zum 0.0.2019.

Die Antragstellerin begründet dies damit, der Antragsgegner sei nach wie vor der Meinung, dass er sich mit der Verbringung des Kindes in die Türkei nicht rechtswidrig verhalten habe. Er strebe nach wie vor an, das Kind wieder zu sich in die Türkei zu nehmen und es auf diese Weise von der Mutter fernzuhalten.

Mit Beschluss des AG Obernburg a. Main vom 12.5.2011 wurde der Beschluss des AG Obernburg a. Main vom 16.6.2010 mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die in Ziff. 3) angeordnete Beschränkung wie folgt verlängert wird: Die Dauer der Anordnung wird bis zu demjenigen Zeitpunkt befristet, zu welchem die vom Antragsgegner angestrengte rechtliche Sorgerechtsentscheidung in der Türkei rechtskräftig mit Rechtskraftvermerk versehen der vom AG Familiengericht Obernburg im Verfahren 2 F 447/10 entschiedenen Sorgerechtsregelung inhaltlich entspricht, höchstens bis zum 14. Geburtstag des Kindes A., somit bis zum 0.0.2017.

Gegen diese, den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners mit Verfügung vom 23.5.2011 formlos mitgeteilte Entscheidung legte der Antragsgegner mit am 7.6.2011 beim AG Obernburg a. Main eingegangenem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde ein. Die Beschwerde beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin gemäß Schriftsatz vom 23.12.2010 zurückzuweisen.

Die Beschwerde wird damit begründet, es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Durch ein begleitetes Umgangsrecht sei gewährleistet, dass für A. keinerlei Gefahr mehr bestehe. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin in der Vergangenheit weder belästigt noch beschimpft noch ihr Gewalt angetan. Eine nochmalige Ausweitung des Gewaltschutzbeschlusses bis zum 14. Lebensjahr des Kindes verstoße gegen die Menschenrechte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegrün...

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