Leitsatz (amtlich)

Die Beiordnung eines nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts im Rahmen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erfolgt ohne Einschränkung im Sinne von § 121 Abs. 3 ZPO, wenn die Kanzlei des beigeordneten Anwalts nicht weiter vom Prozessgericht entfernt ist, als der am weitesten im Gerichtsbezirk gelegene Ort.

Dies gilt auch dann, wenn sämtliche derzeit im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwälte näher am Gerichtsort residieren.

 

Normenkette

FamFG § 113 Abs. 1, § § 114 ff.; ZPO § 121 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Kulmbach (Beschluss vom 10.06.2014; Aktenzeichen 1 F 214/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - FamG - Kulmbach vom 10.6.2014, Az. 001 F 214/14, dahingehend abgeändert, dass der Passus "... zu den Bedingungen eines in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts ..." in Wegfall gerät.

 

Gründe

Mit Beschluss des AG - FamG - Kulmbach vom 10.06.2014 wurde der Antragstellerin für das Scheidungsverbundverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A., B., bewilligt. Die Bewilligung erfolgte zu den Bedingungen eines in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts.

Gegen diese Einschränkung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 24.06.2014 eingegangenen Beschwerde.

Das AG hat mit Beschluss vom 26.06.2014 nicht abgeholfen und darauf hingewiesen, dass § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 121 Abs. 3 ZPO einer uneingeschränkten Bewilligung entgegenstünden, da aufgrund der Entfernung des Kanzleisitzes der beigeordneten Rechtsanwältin, der in B. liege und mithin außerhalb des Bezirks des AG Kulmbach, weitere Kosten (Fahrtkosten) entstehen. Die kürzeste Fahrtstrecke zwischen der Kanzlei der Antragstellervertreterin und dem Gericht liege bei ca. 24 km. Dem gegenüber betrage die weiteste Entfernung eines innerhalb des Gerichtsbezirks Kulmbach ansässigen Rechtsanwalts (T. bzw. K.) rund 13 km.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.

Entgegen der Rechtsansicht des AG liegen die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 121 Abs. 3 ZPO nicht vor. Höhere Reisekosten i.S.d. § 121 Abs. 3 ZPO können nur dann entstehen, wenn die Entfernung der Kanzlei des beigeordneten Rechtsanwalts weiter vom Prozessgericht entfernt ist, als der am weitesten im Gerichtsbezirk entfernte Ort. Die Marktgemeinde W., die im Gerichtsbezirk Kulmbach liegt, ist rund 25 km von Kulmbach entfernt und damit weiter als der Kanzleisitz der beigeordneten Rechtsanwältin in B.. Dass in W. derzeit kein Rechtsanwalt seinen Kanzleisitz hat, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts. Das Beschwerdegericht teilt nicht die Auffassung, dass lediglich die Entfernungen zwischen dem Gericht und den im Gerichtsbezirk ansässigen Anwälten maßgeblich ist. Entscheidend ist vielmehr, dass bei dem Vergleich der möglichen Fahrtkosten darauf abzustellen ist, ob die tatsächliche Entfernung zwischen Gericht und dem Kanzleisitz des beigeordneten Rechtsanwalts geringer ist, als die Entfernung zwischen dem Gericht und den vom Prozessgericht am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks. Da jeder Ort innerhalb eines Gerichtsbezirks Sitz einer Anwaltskanzlei sein kann und keine Residenzpflicht an nur bestimmten Orten besteht, ist hierauf abzustellen und nicht auf den vom Zufall abhängigen, sich ständig veränderbaren Umstand der tatsächlichen Existenz einer Kanzlei. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Rechtsbehelfsbelehrung:

Der Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 7226790

NJW 2014, 8

NJW-RR 2015, 187

AGS 2014, 529

AGS 2014, 585

NZFam 2014, 1103

PAK 2014, 182

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