Leitsatz (amtlich)

1. Ein notarielles Nachlassverzeichnis im Sinn des § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB ist bereits dann unvollständig, wenn es schon an der formalen Kongruenz zwischen einer im Auskunftstitel thematisch vorgegeben Erklärungsposition und den beurkundeten Angaben der Schuldnerseite fehlt.

2. Auch dann, wenn eine auskunftspflichtige Vermögensverschiebung und ihr Schenkungscharakter jeweils offenkundig sind, ist ihre Aufnahme in das Bestandsverzeichnis keine in das Ermessen des Notars gestellte Frage der Zweckmäßigkeit.

3. Die dem Notar obliegende Plausibilitätskontrolle schließt die Verpflichtung ein, bei offenkundig klärungsbedürftigen Punkten - insbesondere bei auffälligen Vorgängen im Bereich des sog. fiktiven Nachlasses - die Erbenseite einer "qualifizierten" Befragung zu unterziehen und den Erben gegebenenfalls auch dazu anzuhalten, seine eigenen Auskunftsansprüche durchzusetzen.

4. Zu den besonderen Voraussetzungen für die Anordnung einer ersatzweisen Zwangshaft, wenn sich der Auskunftstitel gegen als Gesamtschuldner verurteilte Miterben richtet.

 

Normenkette

BGB §§ 421, 2314 Abs. 1 S. 3; ZPO § 888

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Beschluss vom 15.02.2016; Aktenzeichen 12 O 442/13)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des LG Würzburg vom 15.02.2016 aufgehoben.

II. Zur Erzwingung der vollständigen Erfüllung ihrer Auskunftsverpflichtungen aus Ziff. I. und II. des Teil-Anerkenntnisurteils des LG Würzburg vom 17.06.2013 wird gegen die Schuldner ein Zwangsgeld von 5.000,-- Euro festgesetzt.

Hierdurch werden die Schuldner angehalten, bis spätestens 20.09.2016 ein die beiden notariellen Bestandsverzeichnisse vom 02.07.2015 ergänzendes - bzw. für jedes Verzeichnis ein entsprechend ergänztes - Nachlassverzeichnis vorzulegen, worin auch (ausdrückliche) bzw. weitere Angaben zu folgenden Punkten enthalten sind:

1. Ausgleichspflichtige Zuwendungen (wie etwa Ausstattungen) zugunsten der Schuldner, insbesondere in Bezug auf die unter Ziff. 1. des Beschwerdevorbringens (dort S. 3 = Bl. 217) umschriebenen Vorgänge, nämlich

a) die Zuwendung von 100.000,-- DM an den Schuldner zu 2 (= Schuldner) mit dem Verwendungszweck "Hausbau",

b) eine weitere Zuwendung von 150.000,-- DM an den Schuldner,

c) die Übertragung von 60 % der Geschäftsanteile an der L. GmbH auf die Schuldnerin sowie

d) die Übertragung des Eigentums an den Grundstücken A-Straße 1 und B-Straße 2 in X. auf den Schuldner.

2. Schenkungen oder andere unentgeltliche Zuwendungen des Erblassers C. D. an seine Ehefrau, an die Schuldnerseite oder an Dritte im Zusammenhang mit

2.1 den in der Antragsschrift vom 8.12.2015 (unter Ziff. 2. auf S. 5, 6 = Bl. 190, 191) aufgelisteten Barabhebungen und sonstigen "Abflüssen" von den S.-Depots Nr. 0001 und 0002,

2.2 der Übertragung eines 46,51 %- (Miteigentum-)Anteils an dem Anwesen E-Straße 3 in X. im Jahr 2004 auf F. D. sowie

2.3 den Prämienzahlungen auf die zugunsten der Enkelkinder G. und H. abgeschlossene Lebensversicherung (Nr. 003) bei der Y. Lebensversicherung.

3. Sonstige Schenkungen bzw. sonstige unentgeltliche Zuwendungen von C. D. an F. D. während der ihrer gemeinsamen Ehe

4. Verbleib der vom Erblasser C. D. im Jahre 2011 erzielten Gewinne aus Aktienverkäufen in Höhe von 31.367,-- Euro

5. Etwaige Vermögensverschiebungen zugunsten der Schuldnerseite im Rahmen der Änderung der jeweiligen Verfügungsberechtigung hinsichtlich der Depotkonten Nr. 005 und 006 der Erblasserin F. D. bei der Z-Bank am 02.08.2010 und der am selben Tag zugleich vorgenommenen Einrichtung von zwei eigenen Depots durch die Schuldnerin

III. Die Gläubigerseite darf mit der Beitreibung des Zwangsgeldes nicht vor dem 30.09.2016 beginnen.

IV. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen und bleibt der Vollstreckungsantrag des Gläubigers abgelehnt.

V. Die Kosten dieses Vollstreckungsverfahrens haben die Schuldner als Gesamtschuldner zu tragen.

VI. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

VII. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

VIII. Beschwerdewert: bis zu 50.000,-- Euro

 

Gründe

Die zulässige - insbesondere nach den §§ 567 I Nr. 1; 793 ZPO auch statthafte -sofortige Beschwerde hat in der Sache im Wesentlichen Erfolg und führt - ausgenommen die angestrebte Verhängung einer ersatzweisen Zwangshaft - zu einer antragsgemäßen Festsetzung gegen die Schuldnerseite.

1. Entgegen der (nicht näher begründeten) Ansicht des LG und dem in der Stellungnahme des Notars vom 05.01.2016 erweckten Eindruck sind der Gegenstand und insbesondere auch der Umfang der einem Notar bei der Vorbereitung und Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach § 2314 I, 3 BGB obliegenden Prüfungs- und Ermittlungspflichten im Wesentlichen geklärt (vgl. etwa BGHZ 33, 373, Rn. 11; OLG Celle DNotZ 2003, 62, Rn. 9; OLG Düsseldorf RNotZ 2008, 105, Rn. 9; OLG Schleswig NJW-RR 2011, 946, Rn. 15; OLG Saarbrücken FamRZ 2010, 2026, Rn. 13 und 2011, 1258, Rn. 12, 17, 22; OLG Köln ErbR 2013, 328, Rn. 9 ff.; OLG Koblenz NJW 2014, 1972, Rn. 18 f...

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