Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichtes M. vom 7. Februar 2006 aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Bußgeldbescheid des bayerischen Polizeiverwaltungsamtes vom 29.08.2005 wurde gegen den Betroffenen wegen einer am 29.06.2005 auf der BAB begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 58 km/h eine Geldbuße von 150 Euro und ein Fahrverbot von 1 Monat mit der Anordnung nach § 25 Abs. 2a StVG verhängt.

Den gegen diesen Bußgeldbescheid fristgerecht eingelegten Einspruch verwarf das Amtsgericht mit Urteil vom 07.02.2006 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG. Zur Begründung ist ausgeführt:

"Die Ladung, welche die Belehrung nach § 74 Abs. 3 OWiG und über die Folgen eines nicht genügend entschuldigten Ausbleibens enthielt, wurde ordnungsgemäß zugestellt. Das Ausbleiben ist nicht entschuldigt, weil grundsätzlich private Gerichtstermine anderen beruflichen Terminen vorgehen. Die Ladung wurde bereits am 09.01.2006 zugestellt. Ein Verlegungsantrag wurde erst am 31.01.2006 gestellt. Es wurde nicht einmal versucht, die anderen Termine verlegen zu lassen. Dies hätte zumindest beantragt werden müssen.

Der Betroffene war von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht entbunden worden."

Mit der gegen diese Entscheidung eingelegten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts; er macht insbesondere geltend, der Tatrichter habe sein Ausbleiben zu Unrecht als nicht entschuldigt beurteilt.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der insoweit den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG entsprechenden Verfahrensrüge einer Verletzung von § 74 Abs. 2 OWiG Erfolg.

Die Verwerfung des Einspruchs hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil das Amtsgericht zum einen die Gründe, die das Ausbleiben des Betroffenen entschuldigen könnten, in dem Urteil nicht hinreichend mitgeteilt und erörtert und zum anderen die Entschuldigung des Betroffenen rechtsfehlerhaft nicht als genügend gewürdigt hat.

1.

In einem Urteil, in dem ein Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen wird, sind eventuelle Gründe, die das Ausbleiben des Betroffenen entschuldigen könnten, mitzuteilen und zu erörtern (Göhler OWiG 14. Aufl. § 74 Rn. 34f). Andernfalls kann das Rechtsbeschwerdegericht nicht beurteilen, ob diese Umstände vollständig und rechtsfehlerfrei gewürdigt worden sind (BayObLG NZV 1999, 139/140).

Hier teilt das Urteil die vorliegenden Entschuldigungsgründe nicht im Einzelnen mit, sondern weist in erster Linie darauf hin, dass "grundsätzlich private Gerichtstermine anderen beruflichen Terminen vorgehen". Mit der Formulierung "grundsätzlich" gibt das Amtsgericht selbst zutreffend zu erkennen, dass auch Fälle denkbar sind, in denen die "anderen beruflichen Termine" vorgehen. Zur Prüfung der Frage durch das Rechtsbeschwerdegericht, ob der Tatrichter einen Vorrang der anderen Termine des Betroffenen in rechtsfehlerfreier Weise verneint hat, #wäre aber #die Mitteilung der Art der anderen beruflichen Termine erforderlich gewesen. Ohne Kenntnis der Art dieser anderen Termine des Betroffenen kann auch nicht hinreichend beurteilt werden, ob die weiteren Überlegungen des Tatrichters und der Hinweis auf einen erforderlichen Versuch, diese anderen Termine verlegen zu lassen, die von ihm getroffene Entscheidung begründen können.

2.

Der Mangel einer hinreichenden Begründung wäre allerdings unschädlich, wenn das Rechtsbeschwerdegericht feststellen könnte, dass die vorgebrachten Entschuldigungsgründe offensichtlich ungeeignet waren, das Fernbleiben des Betroffenen zu entschuldigen, da dann das Verwerfungsurteil nicht auf dem Mangel der Begründung beruhen könnte (OLG Köln VRS 59, 452/453). Ein solcher Fall liegt aber nicht vor.

Die vom Betroffenen in der Rechtsbeschwerdebegründung vorgetragenen Tatsachen, die dem Tatrichter bekannt waren, waren durchaus geeignet, sein Ausbleiben in dem Hauptverhandlungstermin zu entschuldigen.

a)

Eine Entschuldigung ist dann genügend, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Betroffenen einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen, d.h. wenn dem Betroffenen unter den gegebenen Umständen ein Erscheinen billigerweise nicht zumutbar war und ihm infolge dessen wegen seines Fernbleibens auch nicht der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung gemacht werden kann (BayObLG Beschluss vom 19.10.2004, Az.: 1 ObOWi 442/04 m.w.N.). Hierbei gilt die Regel - worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat -, dass die Pflicht, zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Gericht zu erscheinen, grundsätzlich der Regelung privater oder beruflicher Angelegenheiten vorgeht. Es können daher nur unaufschiebbare Geschäfte oder berufliche Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung dazu führen, da...

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