Entscheidungsstichwort (Thema)

Drogenfahrt. Freispruch. Rechtsbeschwerde. Betäubungsmittel. Rauschmittel. Blut. Blutentnahme. Wirkstoffkonzentration. Nachweisgrenzwert. Cannabis. THC. Amphetamin. Morphin. Fahrlässigkeitsnachweis. berauschend. Wirkungsdauer. Nachweisdauer. Fahrtüchtigkeit. Normauslegung. Verhaltensauffälligkeit. Ausfallerscheinung. rauschmitteltypisch. Sachverständiger. Anlage. Annahme. Aufhebung. Auslegung. Feststellung. Konsum. Nachweis. Notwendigkeit. Schuldspruch. Verurteilung

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei Nichterreichen des sog. Nachweisgrenzwertes bleibt eine Ahndung wegen einer tatbestandsmäßigen Drogenfahrt nach § 24a II StVG möglich, sofern neben der den analytischen Nachweisgrenzwert nicht erreichenden konkreten Konzentration des berauschenden Mittels im Blut des Betroffenen weitere Umstände, insbesondere drogenbedingte Verhaltensauffälligkeiten oder rauschmitteltypische Ausfallerscheinungen festgestellt werden, die es als möglich erscheinen lassen, dass der Betroffene am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit durch die Wirkung des berauschenden Mittels eingeschränkt war (u.a. Anschl. an OLG Bamberg, Beschluss vom 27.02.2007 - 3 Ss OWi 688/05 = DAR 2007, 272 = ZfSch 2007, 287 = VRS 112 [2007], 262 = BA 44, 255 = OLGSt StVG § 24a Nr 10 = VM 2007 Nr 73 = VRR 2007, 270; OLG München, Beschluss vom 13.03.2006 - 4 St RR 199/05 = NJW 2006, 1606 = DAR 2006, 287 = ZfSch 2006, 290 = NZV 2006, 277 = VRS 110 [2006], 296 = Blutalkohol 43 [2006], 239 = StV 2006, 531 und OLG Celle, Beschluss vom 30.03.2009 - 322 SsBs 57/09 = Blutalkohol 46 [2009], 222 = NZV 2009, 300 = VRS 117 [2009], 369 = SVR 2009, 316 = NStZ 2009, 711). (Rn. 9)

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1; StVG § 24a Abs. 2-3, § 25 Abs. 1 S. 2, Abs. 2a S. 1; BKatV § 4 Abs. 3; StGB §§ 315c, 316

 

Tatbestand

Das AG hat den verkehrsrechtlich bislang unbelasteten Betr. wegen Nichterreichens des analytischen Nachweisgrenzwertes für THC in Höhe von 1 ng/ml von dem mit Bußgeldbescheid vom 22.12.2017 gegen ihn erhobenen und dort entsprechend §§ 24a, 25 I 2 StVG i.V.m. § 4 III BKatV i.V.m. lfd.Nr. 242 BKat neben einer Geldbuße von 500 EUR mit einem einmonatigen gesetzlichen Regelfahrverbot nach Maßgabe des § 25 IIa 1 StVG geahndeten Tatvorwurf der fahrlässigen Drogenfahrt gemäß § 24a II und III StVG (Tatzeit: 29.11.2017,19:45 Uhr; festgestellte THC-Konzentration: 0,7 ng/ml) aus Rechtsgründen freigesprochen. Nach den Feststellungen des AG räumte der Betr. die vorherige Fahrt mit einem Pkw gegenüber dem Polizeibeamten und Zeugen A. ein, welcher den Betr. "wegen anderweitiger möglicher Verstöße gegen das BtMG" am Tattag zu Hause aufgesucht, die Fahrt selbst aber nicht beobachtet hatte. Dem Zeugen fielen beim Betr. "Gleichgewichtsstörungen" auf. Darüber hinaus mussten dem Betr. gegenüber "Anordnungen mehrfach wiederholt" werden und die Augen des Betr. waren "nach Auffassung des Zeugen [...] gerötet und glasig, der Körper zittrig und die Stimmung gleichgültig"; der Betr. litt außerdem "unter einem Gesichtsjucken". Schließlich wurden beim Betr. "BtM-Utensilien und Betäubungsmittel aufgefunden". An der die festgestellte THC-Konzentration offenbarenden Blutuntersuchung wirkte der Betr. freiwillig mit. Gegen den Freispruch wendet sich die StA mit ihrer mit der Sachrüge begründeten Rechtsbeschwerde. Ihr Rechtsmittel führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß § 79 I 1 Nr. 3 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist begründet und zwingt den Senat zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das AG, weil nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen ein Freispruch des Betr. weder aus Rechtsgründen noch aus tatsächlichen Gründen in Betracht kommt.

1. Nach § 24a II StVG handelt ordnungswidrig, wer zumindest fahrlässig (vgl. § 24a III StVG) gegen das Verbot zum Führen eines Kfz im Straßenverkehr unter der Wirkung der in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten berauschenden Mittel verstößt (zu den bei Nichterreichen des sog. Nachweisgrenzwertes ggf. gesteigerten Anforderungen an den Fahrlässigkeitsnachweis vgl. BGH, Beschluss vom 14.02.2017 - 4 StR 422/15 = BGHSt 62, 42 = NJW 2017, 1403 = ZfS 2017, 292 = NZV 2017, 227 = BA 54 [2017], 200 = DAR 2017, 331 = NStZ 2017, 480). Die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes setzt deshalb grundsätzlich nur die Feststellung voraus, dass das berauschende Mittel zum Zeitpunkt des Führens eines Kfz im Straßenverkehr ,gewirkt' hat. Eine solche Wirkung liegt nach § 24a II 2 StVG vor, wenn festgestellt wird, dass zu diesem Zeitpunkt eine in der Anlage zu § 24a StVG genannte Substanz, darunter THC, im Blut des Betr. nachgewiesen ist, und diese Substanz nicht aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt (§ 24a II 3 StVG).

2. Allerdings beruht die Regelung auf der Annahme, dass bei einem solchen Nachweis die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit und dami...

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