Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Entscheidung vom 26.02.2008)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 26. Februar 2008 dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu jeweils 25 Euro verurteilt und ihm für die Dauer von drei Monaten verboten wird, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen; im übrigen, nämlich hinsichtlich des Tatvorwurfs der Beleidigung, wird der Angeklagte freigesprochen.

  • II.

    Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird als unbegründet verworfen.

  • III.

    Soweit der Angeklagte freigesprochen wurde, hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen; im übrigen trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen selbst.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten nach vorangegangenem Strafbefehlsverfahren wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tatmehrheit mit Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 55 Tagessätzen zu jeweils 25 Euro, gebildet aus Einzelgeldstrafen von 50 und 10 Tagessätzen, verurteilt. Daneben hat es dem Angeklagten verboten, für die Dauer von 3 Monaten Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht als unbegründet verworfen. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) Revision erweist sich auf die Sachrüge in dem aus dem Beschlusstenor (Ziffer I.) ersichtlichen Umfang als begründet (§ 349 Abs. 4 StPO) und führt zum Teilfreispruch des Angeklagten wegen des Tatvorwurfs der Beleidigung (§ 354 Abs. 1 StPO). Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils - von dem durch den Teilfreispruch bedingten Wegfall der Einzelstrafe von 10 Tagessätzen für die Beleidigung und des damit gegenstandslos gewordenen Gesamtstrafenausspruchs abgesehen - keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat nimmt in diesem Umfang zur näheren Begründung auf die insoweit zutreffende Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht Bezug.

Der Schuldspruch wegen Beleidigung kann aufgrund der seitens des Landgerichts der Verurteilung zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen allerdings keinen Bestand haben:

1. Danach äußerte der Angeklagte in einem Telefonat mit dem die Ermittlungen gegen ihn wegen des Tatvorwurfs der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung führenden Polizeibeamten und zugleich Tatzeugen für die Straßenverkehrsgefährdung anlässlich seiner fernmündlichen Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung dem Beamten gegenüber wörtlich: "Sie sind mir ein komischer Vogel". Unmittelbar zuvor hatte der Angeklagte gegenüber dem Zeugen im Rahmen desselben Telefonats Zweifel daran angemeldet, dass der Beamte aufgrund des nur kurzen Begegnungsvorgangs der Fahrzeuge des Angeklagten und des Zeugen tatsächlich dazu in der Lage gewesen sei, das Kennzeichen des Angeklagten - wenn auch nur teilweise - abzulesen. Hierauf hatte der Beamte dem Angeklagten u.a. mehrfach seine Beobachtungen erläutert, was den Angeklagten zunächst zu der Äußerung veranlasste, der Beamte und Zeuge verfolge ihn nur wegen seiner "schwarzen Haare", womit der Angeklagte offensichtlich auf seine (türkische) Herkunft anspielte. Nach einem erneuten Hinweis des Zeugen auf die aus seiner Sicht bestehende Beweislage und darauf, den Angeklagten keinesfalls wegen dessen Haarfarbe angehalten zu haben, fiel seitens des Angeklagte in Richtung auf seinen Gesprächspartner die inkriminierte Äußerung: "Sie sind mir ein komischer Vogel". Strafantrag wegen Beleidigung wurde jeweils form- und fristgerecht seitens des Zeugen und seines Dienstvorgesetzten gestellt.

Das Landgericht wertet die Äußerung des Angeklagten in diesem Zusammenhang als Ausdruck gewollter Missachtung, die geeignet sei, den Zeugen in seiner Person sowie in seiner Tätigkeit als ermittelnder Polizeibeamter herabzuwürdigen, wobei die Grenze zur Schmähkritik überschritten werde, weshalb die Äußerung auch nicht mehr durch § 193 StGB als Ausprägung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung gedeckt sei. Es handele ich nicht mehr um eine bloße unsachliche Kritik; vielmehr werde der Zeuge als Person in seinem Tun lächerlich gemacht, wenn er einem "komischen Vogel" gleichgestellt werde.

2. Diese Rechtsansicht, der sich die Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht ohne weitere Begründung in ihrer Antragsschrift zur Revision des Angeklagten angeschlossen hat, hält aus Rechtsgründen der revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand:

a) Mit der Redewendung vom "seltsamen Vogel" oder - wie hier - mit der synonym zu verstehenden (neuzeitlichen) Wendung vom "komischen Vogel" wird seit jeher nicht mehr und nicht weniger als ein sonderbarer, (ver-)wunderlicher, eigentümli...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge