Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Rechtsbeschwerdezulassung bei fehlender Urteilsunterschrift

 

Leitsatz (amtlich)

Allein das Fehlen der nach § 275 II 1 StPO gebotenen aber versehentlich unterbliebenen Unterschrift des in einer Bußgeldsache erkennenden Richters unter seinem mit schriftlichen Gründen abgefassten und in den Akten befindlichen Urteil bedingt grundsätzlich nicht die Zulassung der gegen das Urteil eingelegten Rechtsbeschwerde.

 

Normenkette

OWiG § 79 Abs. 1 S. 2, § 80; StPO §§ 275, 344 Abs. 2 S. 2; StVO § 4 Abs. 3, § 49 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Das AG verurteilte den Betr. am 11.02.2013 entsprechend der schon im Bußgeldbescheid vorgesehenen Regelahndung wegen fahrlässiger Unterschreitung des Mindestabstandes von 50 m als Führer eines Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf Autobahnen (§§ 4 III i.V.m. 49 I Nr. 4 StVO) zu einer Geldbuße von 80,00 €. Mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, rügt der Betr. die Verletzung sachlichen Rechts und die Verletzung rechtlichen Gehörs. Die GenStA beantragt ebenfalls, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, das angefochtene Urteil auf die Sachrüge des Betr. aufzuheben und das Verfahren an das AG zurückzuverweisen, da das in der Akte befindliche schriftliche Urteil durch den Richter nicht unterschrieben worden und eine Nachholung der Unterschrift nach Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1 StPO nicht mehr zulässig sei. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Im angefochtenen Urteil ist lediglich eine Geldbuße von 80 € festgesetzt worden. Nach § 80 I, II Nr. 1 OWiG darf daher die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

1. Alleine der Umstand, dass das schriftliche Urteil vom Richter, der die Entscheidung in der Hauptverhandlung vom 11.02.2013 getroffen und verkündet hat, nicht unterschrieben ist, führt nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.

a) Zwar macht eine fehlende Unterschrift ein schriftliches Urteil sachlich-rechtlich fehlerhaft und führt auf die Rechtsbeschwerde zu seiner Aufhebung (Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 275 Rn. 29 m.w.N.). Allerdings muss dies in den Fällen weniger bedeutsamer Ordnungswidrigkeiten, bei denen gegen das Urteil die Rechtsbeschwerde nur zulässig ist, wenn sie zugelassen wird (§§ 79 I 2, 80 OWiG) nicht notwendigerweise zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führen.

b) Bei unzulänglichen Urteilsgründen oder bei deren Fehlen kann die Zulassung geboten sein, um entweder zu den Anforderungen an die Urteilsgründe in Bußgeldsachen richtungweisend Stellung zu nehmen oder aber - in den nicht von der weiteren Beschränkung der Zulassungsrechtsbeschwerde gemäß § 80 II OWiG erfassten Fällen - um einer so fehlerhaften Abfassung der Urteilsgründe entgegen zu wirken, dass nach ihrem Inhalt nicht mehr erkennbar ist, ob die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gewahrt ist.

c) Verfehlt ist es jedoch, die Rechtsbeschwerde allein deswegen zuzulassen, weil das Urteil keine Gründe enthält; denn das Rechtsbeschwerdegericht kann in solchen Fällen schon aufgrund des Bußgeldbescheides, des Zulassungsantrages, der Rechtsbeschwerdebegründung oder sonstiger Umstände (z.B. aus nachgeschobenen Urteilsgründen) entscheiden, ob die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen (Göhler/Seitz OWiG 16. Aufl. § 80 Rn. 12 f. m.w.N.; Rebmann/Roth/Herrmann OWiG 3. Aufl. [Stand: März 2012] § 80 Rn. 6; KK/Senge OWiG 3. Aufl. § 80 Rn. 32). Nichts anderes kann dann gelten, wenn das schriftliche Urteil (lediglich) nicht mit der Unterschrift des Richters versehen ist, weshalb dieser Fall entsprechend demjenigen zu behandeln ist, in dem das Urteil rechtsfehlerhaft über keine Urteilsgründe verfügt.

2. Im vorliegenden Fall lässt sich bereits anhand der bei der Akte befindlichen Begründung des (nicht unterschriebenen) schriftlichen Urteils entscheiden, ob die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen.

a) Daran, dass das bei der Akte befindliche (nicht unterschriebene) schriftliche Urteil vom Tatrichter verfasst wurde, bestehen keine Zweifel. Es ist ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle (§ 275 I 5 StPO) - wenngleich (unbemerkt) vom Richter nicht unterschrieben - am 12.02.2013 zur Akte gelangt. Unmittelbar danach schließt sich die von demselben Richter unter dem 12.02.2013 unterzeichnete Verfügung an, nach der - wie auch geschehen - die Urteilsausfertigung an den Verteidiger zuzustellen und an den Betr. mitzuteilen war.

b) Aus der Urteilsbegründung lässt sich deutlich erkennen, dass weder ein Fall vorliegt, in dem die Zulassung geboten wäre, um zu den Anforderungen an die Urteilsgründe in Bußgeldsachen richtungweisend Stellung zu nehmen, noch ein Fall in dem es aus sonstigen Gründen geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen. Eine solche Überprü...

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