Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Spekulationsgeschäft i. S. von § 23 EStG kommt dann nicht in Frage, wenn der veräußerte Gegenstand unentgeltlich (durch Erbschaft, Vermächtnis, Schenkung) erworben war.

 

Normenkette

EStG § 23

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) hatte am 13. Mai 1947 von seiner verstorbenen Mutter verschiedene Schmuckgegenstände geerbt. Er hat diese Schmuckgegenstände, die er nach seinen Angaben anfänglich später einmal an seine Kinder weitervererben wollte, wegen der inzwischen eingetretenen finanziellen Schwierigkeiten seiner aus primitiven Anfängen heraus nach Kriegsschluß gegründeten Firma (Wäschefabrik) innerhalb eines Jahres um 101.950 RM verkauft. Das Finanzamt hat, da keine Erbschaftsteuer entrichtet war, den Wert des Schmucks zur Zeit des Erwerbs auf weniger als 10.000 RM geschätzt und den Unterschiedsbetrag von 101.950 - 9.900 = 92.050 RM als Spekulationsgewinn der Einkommensteuer unterworfen. Das Finanzgericht hat unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte der Spekulationsbesteuerung das Vorliegen eines Spekulationsgeschäftes verneint und den Stpfl. von der Einkommensteuer freigestellt. Der Vorsteher des Finanzamts hat Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Das Einkommensteuergesetz 1939 besteuert nicht schlechthin den Gewinn aus der Veräußerung von zum Privatvermögen gehörigen Gegenständen, sondern, wie aus § 22 Ziffer 2 und der Überschrift zu § 23 hervorgeht, nur Einkünfte aus Spekulationsgeschäften. Begrifflich ist für das zu einem einheitlichen Vorgang zusammengefaßte, aus Anschaffung und Verkauf bestehende Spekulationsgeschäft u. a. erforderlich, daß der Erwerb zu dem Zwecke gewinnbringender Weiterveräußerung vorgenommen ist, daß m. a. W. der Stpfl. die Erwerbshandlung aus dem Beweggrund vorgenommen hat, den zu erwerbenden Gegenstand später mit Gewinn zu veräußern. Beweggrund und Absicht bilden einen inneren Vorgang, der sich schwer nachweisen läßt. Das Einkommensteuergesetz 1925 hatte daher das Vorliegen eines Spekulationsgeschäfts von dem rein äußerlichen Tatbestand abhängig gemacht, daß zwischen Anschaffung und Veräußerung nur ein begrenzter Zeitraum lag; es hat dabei den inneren Tatbestand des Beweggrundes vermutet, aber dem Stpfl. den Gegenbeweis offengehalten (§ 42 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1925).

Vom Einkommensteuergesetz 1934 an ist auch dieser Gegenbeweis nicht mehr zugelassen. Die gewinnbringende Veräußerungsabsicht wird jetzt also unwiderlegbar unterstellt, gleichgültig, ob der Beweggrund der Erwerbshandlung auf späteren Verkauf gerichtet war oder nicht. Der Gesetzgeber wollte dem nie sicher zu entscheidenden Streit, wie der innere Beweggrund gewesen sei, ein für allemal ein Ende machen. Nur das kann der Zweck der Gesetzesänderung gewesen sein. Daraus folgt, daß für die unwiderlegliche gesetzliche Vermutung dann kein Raum ist, wenn ein Beweggrund für eine Erwerbshandlung überhaupt nicht denkbar ist, weil eine Erwerbshandlung nicht vorliegt, der Erwerb vielmehr kraft Gesetzes eintritt, wie es bei der Erbschaft der Fall ist. Das ergibt sich auch daraus, daß das Gesetz von der Anschaffung des veräußerten Gegenstandes spricht. Eine Anschaffung ist aber eine Tätigkeit. Bei Erwerb durch Erbschaft ist im Falle der Veräußerung der ererbten Gegenstände die Annahme von Spekulationsgeschäften begrifflich ausgeschlossen. In der Praxis sind auch die zahllosen Fälle, bei denen die Erben den Nachlaß des Erblassers alsbald nach dessen Tode - ganz oder teilweise - günstig versilbert haben, wohl kaum jemals als Spekulationsgeschäfte behandelt.

Darüber hinaus ist dem Finanzgericht auch darin beizutreten, daß bei "Anschaffung" und "Anschaffungskosten" nur an den entgeltlichen Erwerb gedacht ist. Für die Bewertung von Betriebsgegenständen und für die Absetzung für Abnutzung von Privatgegenständen, die beide von den Anschaffungskosten abhängen (§§ 6, 7 EStG), ist zwar in den §§ 5 und 9 der für 1947 geltenden Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1941 bestimmt, daß im Falle eines unentgeltlichen Erwerbs, bei dem also Anschaffungskosten nicht in Frage kommen, als Anschaffungskosten der Betrag, den der Stpfl. zu einem bestimmten Zeitpunkt für das einzelne Wirtschaftsgut hätte aufwenden müssen (sog. fiktive Anschaffungskosten) bzw. bei Gebäuden der letzte Einheitswert zugrunde zu legen ist.

Eine derartige Bestimmung fehlt aber bei den Spekulationsgeschäften. Aus der Unterlassung folgt, daß der Gesetzgeber als Anschaffung nur den entgeltlichen Erwerb verstanden hat und daß daher die Bestimmung eines Ersatzwerts im Falle unentgeltlichen Erwerbs unterblieben ist und unterbleiben mußte. So hat denn auch der Reichsfinanzhof, worauf das Finanzgericht mit Recht hinweist, im Urteil vom 11. März 1943IV 169/42, Steuer und Wirtschaft 1943 Nr. 116 S. 191, ausgesprochen, daß die Veräußerung von Dollarbeträgen, die unentgeltlich erworben waren, wegen der unentgeltlichen Überlassung...

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