Leitsatz

Zwischen Wohnungseigentümern gibt es grundsätzlich keine öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzrechte.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 3 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K zeigt der Bauaufsichtsbehörde B in 2010 an, dass sich auf dem Wohnungseigentumsgrundstück "B-Straße" seiner Ansicht nach ein nicht genehmigtes Gebäude befinde. Die Stirnseite dieses Gebäudes sei mit Asbestplatten verblendet.
  2. Mit Ordnungsverfügung vom 4.11.2010 untersagt B "der Eigentümergemeinschaft B-Straße" die Nutzung der asbestverkleideten Werkstatt zur Metallverarbeitung. Gleichzeitig fordert B die "Eigentümergemeinschaft" auf, die asbestverkleidete Werkstatt zur Metallverarbeitung bis zum 31.12.2010 zurückzubauen und einen Nachweis über die fachgerechte Entsorgung der asbesthaltigen Stoffe zu erbringen. Die Nutzung der Werkstatt sei allein aufgrund der formellen Baurechtswidrigkeit zu untersagen. Des Weiteren sei die Werkstatt auch materiell baurechtswidrig. Die Werkstatt befinde sich an der Grundstücksgrenze. An dieser Stelle sei sie aber nicht genehmigungsfähig. Im Übrigen sei die Verwendung von Asbest nicht gestattet.
  3. Im Januar 2011 nimmt B die Ordnungsverfügung vom 4.11.2010 wieder zurück. Als Alternative zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes sei seitens des Wohnungseigentümers Z angeboten worden, die asbestbelastete Plattierung zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen, das Gebäude zukünftig als Abstellraum zu nutzen und diese Nutzung in einem Baugenehmigungsverfahren genehmigen zu lassen.
  4. Im Januar 2012 erhebt K gegen B eine Klage. Er meint, die Rücknahme der Ordnungsverfügung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Eine Baugenehmigung sei bis zum heutigen Tag nicht erteilt worden. Es stehe daher weiterhin ein nicht genehmigtes Gebäude auf dem Grundstück. Auch seien die asbesthaltigen Platten weder entfernt noch fachgerecht entsorgt.
 

Kommentar

Die Entscheidung

  1. Die Klage ist unzulässig. K fehle es an der Klagebefugnis. K könne nicht geltend machen, B verletze ihn durch ihr Verhalten in seinen Rechten. K sei nur in seinen Rechten verletzt, wenn ihm B zu Unrecht seine Rechte enthalte. Dies setzte voraus, dass K sein Begehren gegenüber B artikuliert und dessen (ablehnende) Entscheidung zunächst abgewartet habe. K sei aber mit seinen Begehren nicht vorab an B herangetreten. Er habe B vielmehr knapp ein Jahr nachdem diese die Ordnungsverfügung vom 4.11.2010 aufgehoben hatte, "gleich mit einer Klage überzogen".
  2. Aber auch im Übrigen sei die Klage unzulässig. K behaupte, gegen B einen Anspruch auf ordnungsbehördliches Einschreiten gegen die "Wohnungseigentümergemeinschaft" zu haben, weil das Werkstattgebäude nicht baurechtlich genehmigt sei und aufgrund der Asbestbelastung eine Gefahr darstelle. K hebe damit auf den Anwendungsbereich des § 61 Abs. 1 Bauordnung Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) ab.

    § 61 BauO NRW (Aufgaben und Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden)

    (1) Die Bauaufsichtsbehörden haben bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die gesetzlich geregelten Zuständigkeiten und Befugnisse anderer Behörden bleiben unberührt.

    […]

    Danach habe die Bauaufsichtsbehörde nicht nur bei der Errichtung, der Änderung und dem Abbruch baulicher Anlagen, sondern auch bei der Nutzungsänderung sowie bei der Nutzung einer baulichen Anlage darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden.

  3. Dass dieser Verpflichtung ein Anspruch des K auf bauordnungsrechtliches Tätigwerden entspreche, sei ausgeschlossen. Das WEG schließe öffentlich-rechtliche Nachbarschutzrechte innerhalb der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein- und desselben Grundstücks (grundsätzlich) aus (Hinweis auf BVerwG v. 4.5.1988, 4 C 20.95, NJW 1988, S. 3279; BVerwG v. 14.10.1988, 4 C 1.86, BRS 48 Nummer 155; BVerwG v. 28.2.1990, 4 B 32.90, NVwZ 1990 S. 655; BVerwG v. 12.3.1998, 4 C 3.97, BRS 60 Nr. 173). Die Rechtsverhältnisse der Eigentümer untereinander richteten sich grundsätzlich allein nach dem bürgerlichen Recht. § 15 Abs. 3 WEG setze voraus, dass die Wohnungseigentümer den Gebrauch des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums durch Vereinbarung regeln können. Damit gehe er vom Vorrang des privaten Rechts vor dem disponiblen Gesetzesrecht aus. Im Rahmen der gesetzlichen Regelung bestimmten sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Sondereigentum in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen und Beschlüssen. Soweit keine speziellen vertraglichen Regelungen bestünden, würden zwar ergänzend auch die Normen des öffentlichen Baurechts gelten, und zwar unabhängig dav...

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