2.1 Begriff und Inhalt

2.1.1 Abgabenpflicht

Was sind ­öffentliche Lasten?

Wenn von "öffentlichen Lasten" die Rede ist, sind damit in der Regel nur die abgaberechtlichen Belastungen gemeint. Sie sind im Gesetz zwar verschiedentlich erwähnt (z. B. §§ 436, 1047 BGB, §§ 10 Abs. 1 Nr. 3, 156 Abs. 1 ZVG), jedoch nur vereinzelt[1] definiert. Nach allgemeiner Auffassung versteht man unter einer öffentlichen Grundstückslast eine Abgabenverpflichtung, die

  • auf öffentlichem Recht beruht,
  • durch wiederkehrende oder einmalige Geldleistung zu erfüllen ist und
  • die dingliche Haftung des Grundstücks voraussetzt (neben einer persönlichen Zahlungsverpflichtung des Schuldners).[2]

Die öffentliche Last verpflichtet den jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundstücks, wegen der dinglich gesicherten Abgabenforderung die Zwangsvollstreckung in dieses zu dulden.[3]

[1] Vgl. etwa § 60 Justizgesetz Nordrhein-Westfalen (v. 31.8.2011, in Kraft seit 1.1.2011): Abgaben und Leistungen, die auf dem Grundstück lasten und nicht auf einer privatrechtlichen Verpflichtung beruhen.
[3] OVG Bautzen, Beschluss v. 16.11.2010, 5 B 207/10, NJOZ 2011 S. 1469.

2.1.2 Abgrenzung

Verschiedene Arten

Bei den öffentlichen Abgaben sind zu unterscheiden[1]:

  • Steuern: Sie können auch ohne eine besondere Leistung erhoben werden.
  • Beiträge: Sie dienen in der Regel dem Ausgleich für den einmaligen Aufwand der öffentlichen Hand.
  • Gebühren: Sie haben Entgeltcharakter und werden nach dem Kostendeckungs- und dem Äquivalenzprinzip für eine dem Pflichtigen individuell zurechenbare Leistung gefordert (als Benutzungsgebühr wiederkehrend und als Verwaltungsgebühr einmalig).
[1] Vgl. Wilhelms, NJW 2003, S. 1420.

2.1.3 Öffentliche Last

Wann sind Abgaben ­"öffentlich"?

Ob eine Abgabenverpflichtung "öffentlich" ist, beurteilt sich nach der gesetzlichen Regelung, auf der die Verpflichtung beruht. Grundlage dafür kann das öffentliche Recht des Bundes, aber auch – wie sich aus § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ZVG ergibt – öffentliches Landesrecht sein. Diese gesetzlichen Grundlagen (Gesetz, Satzung) müssen aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es sich um eine Last handelt, die auf öffentlichem Recht beruht.[1] Anderenfalls sind es nur persönliche Abgaben.

Kommunal­abgaben

Bei Kommunalabgaben (Straßenreinigungsgebühren, Kosten für Gas, Wasser, Strom) hängt die Einordnung zum einen wesentlich davon ab, ob das entsprechende Versorgungsunternehmen in öffentlich-rechtlicher Organisationsform – dann öffentliche Last – oder auf privatrechtlicher Grundlage – dann privatrechtliches Entgelt – geführt wird.[2]

Zum anderen ist der Inhalt der zugrunde liegenden kommunalen Satzung von Bedeutung: Kommunale Abgaben, etwa für die Wasserversorgung, ruhen nur dann als öffentliche Last auf dem Grundstück, wenn die Satzung sie als grundstücksbezogene Benutzungsgebühren ausgestaltet hat. Daran fehlt es beispielsweise, wenn die Bestimmung des Gebührenschuldners in der maßgeblichen Satzung nicht an die dingliche Berechtigung, sondern nur an die Nutzung des Grundstücks anknüpft. Werden neben dinglich Berechtigten auch bloße Nutzer herangezogen, muss aus der Satzung hinreichend deutlich hervorgehen, dass die Leistung hinsichtlich der dinglich Berechtigten nicht (nur) personenbezogen erbracht wird, sondern für diese Gruppe von Gebührenschuldnern eine öffentliche Last entstehen lässt.[3]

Allerdings muss diese Gebührensatzung wirksam sein. So sind Straßenreinigungsgebührenbescheide rechtswidrig, wenn die Gebührensatzung eine "ungerechte" Differenzierung zwischen den Anliegern vornimmt.[4]

[1] BGH, Vorlagebeschluss v. 12.3.2015, V ZB 41/14, NZI 2015 S. 668 m. w. N.
[2] Vgl. eingehend Böttcher, ZVG, 6. Auflage 2016, § 10 Rn. 23.
[3] BGH, Beschluss v. 30.3.2012, V ZB 185/11, dazu NJW-Spezial 2012 S. 387.
[4] OVG Lüneburg, Urteil v. 30.1.2017, 9 LB 193/16 u. a., juris.

2.1.4 Dingliches Recht

Neue BGH-Rechtsprechung

In jüngerer Zeit hat die höchstrichterliche Rechtsprechung "herausgearbeitet", dass öffentliche Lasten sogar als dingliche Rechte zu qualifizieren sind.

 
Praxis-Beispiel

Für eine französische Immobiliengesellschaft, die (auch) Eigentümerin eines Grundstücks in Deutschland ist, war ein französisches Sanierungsverfahren als Europäisches Insolvenzverfahren eingeleitet worden. Dabei besteht ab der Eröffnung grundsätzlich ein generelles Vollstreckungsverbot für Mobilien und Immobilien des Schuldners. Nachdem die örtliche Gemeinde in Deutschland wegen rückständiger Grundsteuern die Zwangsversteigerung des Grundstücks beantragt hatte, stellte sich die Frage, ob diese Gläubigerin von dem Vollstreckungsverbot in das Grundstück in Deutschland ausgenommen ist. Denn nach Art. 5 Europäische Insolvenzverordnung wird das dingliche Recht eines Gläubigers an Gegenständen des Schuldners, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats befinden, von der Eröffnung des Verfahrens nicht berührt. Diese Vorschrift ist – wie der EuGH[1]auf Vorlage des BGH[2] entschied – dahin auszulegen, dass eine Sic...

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