Rz. 72

Geschäftsanteile an einer AS können grundsätzlich sowohl durch norwegische als auch durch nicht-norwegische – natürliche und juristische – Personen[160] im Wege des Share Deals erworben werden.[161] Dies gilt sowohl für den Erwerb der Geschäftsanteile an einer Vorrats-AS als auch für den Erwerb von Geschäftsanteilen an einer operativen AS. Hiervon gibt es nur ganz wenige Ausnahmen wie beispielsweise im Falle des Erwerbs von Geschäftsanteilen an erdölfördernden Unternehmen, an Kreditinstituten und an solchen Unternehmen, die durch ein Ministerium oder durch die Nationale Sicherheitsbehörde (Nasjonal Sikkerhetsmyndighet) zu einem sicherheitsrelevanten Unternehmen erklärt worden sind.[162]

 

Rz. 73

Der Erwerb von Vorratsgesellschaften ist in Norwegen üblich und völlig unproblematisch.[163] Insbesondere gibt es in Norwegen keine Rechtsprechung zu Vorratsgesellschaften, die mit der deutschen Rechtsprechung zu Vorrats- und Mantelgesellschaften und der damit verbundenen Haftung des Erwerbers wegen wirtschaftlicher Neugründung vergleichbar wäre.[164] Eine Vorrats-AS kann daher unmittelbar nach ihrem Erwerb eingesetzt werden, ohne dass eine persönliche Haftung des Erwerbers in seiner Eigenschaft als neuer Gesellschafter der AS befürchtet werden müsste.[165]

 

Rz. 74

Das norwegische Recht kennt nicht das im deutschen Recht geltende Abstraktionsprinzip, aufgrund dessen zwischen dem schuldrechtlichen Vertrag und dem sachenrechtlichen Vollzugsvertrag unterschieden wird.[166] Gleichwohl ist auch im norwegischen internationalen Privatrecht das Gesellschaftsstatut bekannt, das auf die – dingliche – Übertragung von Geschäftsanteilen an einer Gesellschaft zur Anwendung kommt.[167] Während zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts in Norwegen nach überwiegender Ansicht[168] die Sitztheorie zugrunde gelegt wird, wird zwischenzeitlich verstärkt die Ansicht vertreten, dass die Gründungstheorie Anwendung finden solle. Bei einer nach norwegischem Recht gegründeten AS mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Norwegen ist nach beiden Theorien das norwegische Recht auf die dingliche Übertragung von Geschäftsanteilen anwendbar.

[160] Bråthen, S. 100.
[161] Siehe zu den Unterschieden zwischen deutschen und norwegischen Share Deals Mörsdorf, NTS 2011:2, 1 ff.
[162] Siehe hierzu im Einzelnen Mörsdorf/Stein, ZfZ 2019, 202 ff., und zum Asset Deal Mörsdorf, IWRZ 2019, 92, 93.
[163] Siehe zum auf den Erwerb anwendbaren Recht Mörsdorf/Halvorsen, NTS 2017:2–3, 78 ff.
[164] Mörsdorf, RIW 2013, 824, 830.
[165] Mörsdorf, RIW 2009, 597, 600.
[166] Siehe Mörsdorf, RIW 2009, 597, 598.
[167] G. Woxholth, S. 97; anders offensichtlich das Landgericht Agder (Agder lagmannsrett), Urt. v. 20.11.2003 in Sachen LA-1999–1411, und der norwegische Oberste Gerichtshof (Hyesterett), Urt. v. 5.12.1931, Rt. 1931, 1185, mit allerdings zweifelhafter Begründung, da das Gesellschaftsstatut offensichtlich gar nicht gesehen und dessen Anwendung dementsprechend nicht geprüft wurde. Siehe hierzu ausführlich Mörsdorf/Halvorsen, NTS 2017:2–3, 78, 85 f.
[168] Siehe Mörsdorf, NTS 2009:1–2, 28, 30.

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