Leitsatz

In einer Anfechtungsklage können die Parteien darlegen und beweisen, dass die Niederschrift unrichtig ist. Wird ein anderer als der in der Niederschrift beurkundete Inhalt behauptet, müssen diejenigen Tatsachen dargetan und bewiesen werden, die im Gegensatz zum Inhalt der Niederschrift zutreffen sollen.

 

Normenkette

§ 24 Abs. 6 WEG; § 416 ZPO

 

Das Problem

  1. In einer Wohnungseigentumsanlage gilt für Abstimmungen das Objektprinzip. Versammlungen sind beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Objektstimmen (= 160) anwesend oder vertreten sind.
  2. Nach der (korrigierten) Niederschrift ist der Verwalter in der Versammlung vom 13.6.2013 mit 75 Ja-Stimmen gegen 60 Nein-Stimmen bei 18 Enthaltungen wiedergewählt worden. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor.
  3. Das Amtsgericht gibt seiner Anfechtungsklage statt. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung sei die Versammlung nicht mehr beschlussfähig gewesen. Ausweislich der letzten Fassung der Niederschrift seien nur 153 Objektstimmen abgegeben worden. Soweit die beklagten Wohnungseigentümer behaupten, in Wahrheit seien mehr Stimmen abgegeben worden, sei es nicht gelungen, die Diskrepanzen aufzuklären. Dies gehe zulasten der Beklagten.
  4. Gegen dieses Urteil geht der Verwalter, der den beklagten Wohnungseigentümern beigetreten war, vor. Er meint, die Versammlung sei beschlussfähig gewesen. Jedenfalls hätte das Amtsgericht nicht ohne eine Beweisaufnahme entscheiden dürfen. Zu Beginn der Versammlung seien 172 Objektstimmen vertreten gewesen. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der erteilten Vollmachten gebe es nicht. Kein Wohnungseigentümer habe die Versammlung verlassen, ohne zuvor Vollmachten zu erteilen. Die Zahl der Enthaltungen habe zunächst nach der Subtraktionsmethode (Abzug der Ja- und Nein-Stimmen von den insgesamt vertretenen Stimmen) ermittelt werden sollen, nach Widerspruch eines Wohnungseigentümers sei dann jedoch ausgezählt worden. Dabei sei nicht aufgefallen, dass die Auszählung weniger Enthaltungen ergeben habe als es den tatsächlichen Abstimmungsergebnissen entsprochen habe. Ferner seien versehentlich einzelne Stimmen nicht mehrfach gezählt worden, obwohl den betreffenden Eigentümern mehrere Wohnungseigentumsrechte gehörten. Richtigerweise wären für ihn 83 Ja-Stimmen abgegeben worden.
 

Die Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Es sei kein wirksamer Beschluss zustande gekommen. Dabei könne dahinstehen, ob sich dies bereits aus dem Inhalt der Niederschrift selbst ergebe, weil danach lediglich 153 Objektstimmen abgegeben wurden. In diesem Fall wäre ein Beschluss bereits mangels Beschlussfähigkeit der Versammlung nicht zustande gekommen.
  2. Soweit der Verwalter einwende, die Niederschrift gebe die tatsächlichen Abstimmungsverhältnisse unzutreffend wieder, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Zwar handle es sich bei der Niederschrift um eine Privaturkunde im Sinne des § 416 ZPO, deren Beweiskraft sich auf die Urheberschaft des Ausstellers, nicht aber auf die inhaltliche Richtigkeit der Niederschrift erstreckt. In einer Anfechtungsklage könnten daher die Parteien darlegen und beweisen, dass die Niederschrift unrichtig ist. Erschöpfe sich das Vorbringen nicht darin, eine Unrichtigkeit geltend zu machen, sondern werde – wie hier – ein anderer als in der Niederschrift beurkundete Inhalt behauptet, müssten auch diejenigen Tatsachen dargetan und bewiesen werden, die im Gegensatz zum Inhalt der Niederschrift zutreffen sollen (Hinweis unter anderem auf Elzer in Jennißen, WEG, 3. Aufl. 2011, § 24 Rn. 115). Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liege beim Verwalter, der sich auf einen anderen Inhalt berufe. Dies gelte insbesondere angesichts der Tatsache, dass sich dem Klagevorbringen entnehmen lasse, dass der Kläger die Auszahlung der Stimmen insgesamt beanstandet.
  3. Dass ein Beschluss mit dem von ihm behaupteten Ergebnis gefasst wurde, habe der Verwalter nicht hinreichend dargetan und unter Beweis gestellt. Dies gelte selbst dann, wenn man davon ausginge, dass bei der Abstimmung 172 Objektstimmen abgegeben wurden. Zwar würde es dann nicht an der Beschlussfähigkeit fehlen. Ein positives Beschlussergebnis wäre aber auch dann nicht feststellbar. In diesem Fall ergebe sich im Vergleich zu den laut Niederschrift abgegebenen 153 Objektstimmen eine Differenz von 19 Objektstimmen, ohne dass sich aufklären ließe, in welcher Weise diese Stimmen abgestimmt haben bzw. gezählt worden seien. Auch soweit der Verwalter geltend mache, bei einer Reihe von Wohnungseigentümern sei übersehen worden, dass diesen mehrere Wohnungseigentumsrechte gehörten und mithin mehrere Objektstimmen zugestanden hätten, ergebe sich nichts anderes. Es fehle jedenfalls an einem geeigneten Beweisantritt dafür, dass diejenigen Wohnungseigentümer, die bei der Abstimmung selbst nicht deutlich machten, mehrere Stimmen zu haben, von der Verwaltung auch nur mit einer Stimme gezählt worden waren.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die h.M. ordnet die Niederschrift als eine Urkunde i.S.d. §§ 415 ff. ZPO, sogar als eine Privaturkunde i.S...

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