Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialraumbudgetierung im Bereich der Jugendhilfe als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit. Berufsausübungsfreiheit. Hilfe zur Erziehung. privat-gewerblich. Sozialraumbudgetierung. Träger der freien Hilfe. Wettbewerb

 

Leitsatz (amtlich)

Die sozialräumliche Gestaltung der ambulanten Hilfe zur Erziehung greift ohne hinreichende gesetzliche Grundlage in die Berufsausübungsfreiheit privat-gewerblicher Anbieter von Jugendhilfeleistungen ein.

 

Normenkette

AG KJHG 13; GG 12 I; SGB VIII 79; SGB VIII 80

 

Verfahrensgang

VG Lüneburg (Beschluss vom 20.12.2005; Aktenzeichen 4 B 50/05)

 

Gründe

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsgegner dagegen, dass das Verwaltungsgericht ihm im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt hat, mit den Beigeladenen zu 2) bis 7) und zu 9) Leistungsvereinbarungen zur Durchführung ambulanter erzieherischer Hilfen nach dem vorliegenden Entwurf abzuschließen, soweit hierin die Erbringung von Leistungen der ambulanten Hilfe zur Erziehung nach §§ 29, 30, 31, 35 SGB VIII vorgesehen ist und den Beigeladenen zu 2) bis 7) und zu 9) hierfür ein Budget zur Verfügung gestellt wird. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber unbegründet.

Die Antragsteller, die freiberuflich tätig sind und im Bereich des Antragsgegners ambulante Hilfe zur Erziehung anbieten, wenden sich gegen die vom Antragsgegner durchgeführte bzw. geplante flächendeckende sozialräumliche Umgestaltung der ambulanten erzieherischen Hilfen in seinem Bereich. Der Antragsgegner begann nach eigenen Angaben Ende der neunziger Jahre damit, die Leistungen im Bereich der ambulanten Hilfe zur Erziehung mit dem Ziel einer Orientierung an sozialen Räumen umzustrukturieren. Dazu schloss er zunächst mit dem Beigeladenen zu 8) mit Wirkung vom 1. Oktober 2001 eine Vereinbarung „über den Betrieb eines ambulanten sozialpädagogischen Jugend- und Familiendienstes (AFJD) in der Gemeinde Neuhaus”. Weiterhin schloss der Antragsgegner im Bereich der Stadt Bleckede mit dem Beigeladenen zu 1) mit Wirkung zum 1. April 2004 und im Bereich der Samtgemeinde Dahlenburg mit dem Beigeladenen zu 10) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 Leistungsvereinbarungen zur Durchführung ambulanter erzieherischen Hilfen. Die Beigeladenen zu 1), 8) und 10) erhalten von dem Antragsgegner ein jährliches Gesamtbudget, das alle vereinbarten Leistungen abdecken soll. Nunmehr beabsichtigt der Antragsgegner, mit den übrigen Beigeladenen Leistungsvereinbarungen zur Durchführung ambulanter erzieherischer Hilfen in den jeweiligen Projekträumen mit Wirkung vom 1. Januar 2006 befristet bis zum 31. Dezember 2007 abzuschließen, und zwar für die Gemeinde Adendorf mit der Beigeladenen zu 2), für die Samtgemeinde Ostheide mit den Beigeladenen zu 3) und 9), für die Samtgemeinde Bardowick mit der Beigeladenen zu 4), für die Samtgemeinde Amelinghausen mit der Beigeladenen zu 5), für die Samtgemeinde Gellersen mit dem Beigeladenen zu 6) und für die Samtgemeinde Scharnebeck mit dem Beigeladenen zu 7). Nach dem vorliegenden Entwurf einer Leistungsvereinbarung sollen die Beigeladenen fallabhängige Arbeit und strukturbildende Arbeit durchführen. Im Rahmen der fallabhängigen Arbeit sieht die Leistungsvereinbarung unter Ziffer 4.1.1 vor, dass sich der jeweilige Vertragspartner des Antragsgegners dazu bereit erklärt, alle im Projektraum erforderlichen ambulanten Hilfen gemäß §§ 27 ff. SGB VIII zu leisten. Den Vertragspartnern soll nach Ziffer 6 des Entwurfs für ihre Tätigkeit ein jährliches Budget zur Verfügung gestellt werden. Dabei soll sich die Höhe des Budgets nach der Summe richten, die dem Antragsgegner im Jahr 2002 – bezogen auf die jeweiligen Projekträume – für die ambulanten Erziehungshilfen zur Verfügung gestanden hat abzüglich eines Anteils von 10 % des jeweiligen Betrags.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung teilweise stattgegeben und zur Begründung ausgeführt:

Eine gegen den Antragsgegner gerichtete Klage der Antragsteller, den Abschluss von Vereinbarungen mit den Beigeladenen zu 2) bis 7) und zu 9) zu unterlassen, soweit sie die auch von den Antragstellern angebotenen Hilfeformen betreffen würden, hätte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg, weil ein derartiges Handeln des Antragsgegners einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Antragsteller darstellte. Die Antragsteller hätten glaubhaft gemacht, dass der Abschluss der geplanten Verträge für sie mit einem schwerwiegenden Nachteil verbunden wäre. Sie könnten zwar auch im Falle des Abschlusses der Vereinbarungen weiterhin ihre Leistungen anbieten. Es drohe jedoch im Vergleich zum gegenwärtigen Zustand konkret ein zumindest nicht unerheblicher Rückgang der Nachfrage nach ihren Leistungen durch potenzielle Kunden. Ziffer 4.1. des Vereinbarungsentwurfs sehe vor, dass alle ambulanten Hilfen zur Erziehung in den betroffenen Gebieten durch den jeweiligen Projektträger erbracht w...

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