Entscheidungsstichwort (Thema)

Beratung. Berufsfreiheit. Gleichbehandlungsgrundsatz. Recht, subjektives. Wunsch- und Wahlrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 5 SGB VIII vermittelt Anbietern jugendhilferechtlicher Leistungen keinen einfachgesetzlichen Anspruch gegen den Jugendhilfeträger auf eine bestimmte Ausgestaltung seiner Beratungspraxis in Bezug auf das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten.

2. Mangels einfachgesetzlicher subjektiver Rechte von Leistungserbringern im Zusammenhang mit der Beratung von Leistungsberechtigten nach dem SGB VIII besteht ein Anspruch auf Änderung einer Beratungspraxis des Jugendhilfeträgers nur, wenn diese Grundrechte der Leistungserbringer verletzt.

 

Normenkette

GG 12 I; GG 3 I; SGB VIII 36; SGB VIII 5

 

Verfahrensgang

VG Stade (Urteil vom 11.12.2009; Aktenzeichen 4 A 1116/07)

 

Gründe

Der Antrag der Kläger, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, soweit dieses den in der mündlichen Verhandlung am 27. Mai 2009 hilfsweise gestellten Antrag der Kläger betrifft, hat keinen Erfolg.

Die Kläger, die im Zuständigkeitsbereich des Beklagten eine Einrichtung zur Tagesgruppenbetreuung nach § 32 SGB VIII mit bis zu sieben Plätzen betreiben, haben in der mündlichen Verhandlung am 27. Mai 2009 hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verurteilen, sie im Rahmen der Beratung von Eltern, ob ihre Kinder in der Tagesgruppe zu betreuen seien, bei der Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts nicht zu benachteiligen, insbesondere a) Eltern umfassend und unvoreingenommen auch über ihre Einrichtung zu informieren und b) mit Eltern potentiell zu betreuender Kinder Informationsbesuche in ihrer Einrichtung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag als unbegründet angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass mangels gesetzlicher Vorgaben dem Beklagten ein weites Ermessen bei der Beratung zustehe. Bei der Entscheidung über die Beratungsbreite seien das Wohl des Jugendlichen, das Interesse der Eltern daran, ihr Wunsch- und Wahlrecht gemäß § 5 SGB VIII sachgerecht ausüben zu können, sowie Gesichtspunkte der Verwaltungspraktikabilität gegeneinander abzuwägen. Keiner dieser Zwecke bestehe im Interesse der Kläger und begründe subjektive Rechte für diese. Die Kläger hätten daher allenfalls einen Anspruch, im Rahmen der bestehenden Beratungspraxis nicht ohne sachlichen Grund gegenüber anderen Anbietern von Tagesgruppenplätzen übergangen zu werden. Es seien indes keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Beklagte die Kläger in der Vergangenheit systematisch und in sachwidriger Weise bei Entscheidungen über die Betreuung in Tagesgruppen übergangen hätte, so dass ein Rechtschutzbedürfnis der Kläger fehle.

Die von den Klägern gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geltend gemachten Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 VwGO liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend dargelegt worden.

Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, dass die Kläger im Einzelnen und unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründen, weshalb dieser Zulassungsgrund erfüllt ist. Gefordert ist, dass die Kläger fallbezogen und substantiiert auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu den für die Entscheidung maßgeblichen Rechts- und Tatsachenfragen eingehen, deren Unrichtigkeit mit zumindest vertretbaren, jedenfalls nicht unvertretbaren Erwägungen dartun und sich dazu verhalten, dass und aus welchen Gründen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf diesen – aus der Sicht der Kläger fehlerhaften – Erwägungen beruht (vgl. nur Senatsbeschluss v. 14.6.2010 – 4 LA 38/09 –).

Die Ausführungen der Kläger im Berufungszulassungsverfahren sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu begründen. Entgegen der Auffassung der Kläger ist das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen nicht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Wie vom Verwaltungsgericht angenommen, vermittelt § 5 SGB VIII den Klägern keinen einfachgesetzlichen Anspruch gegen den Beklagten auf eine bestimmte Ausgestaltung seiner Beratungspraxis in Bezug auf das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben die Leistungsberechtigten das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung zu äußern. Auf dieses Recht sind die Leistungsberechtigten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII hinzuweisen, wobei die dahingehende Verpflichtung nicht nur den formalen Hinweis auf die Wunsch- und Wahlmöglichkeit, sondern eine aktive Aufklärungspflicht beinhaltet (vgl. Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 6. Aufl., § 5 Rn 3). Die Pflicht besteht nach dem ausdrücklichen Wortlaut jedoch ausschließlich gegenüber den Leistungsberechtigten. Dass mit der Hinweispflicht zugl...

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