Worum geht es?

Wenn neben einem niedrigen Gebäude an der Grenze des Nachbargrundstücks ein höheres Gebäude errichtet oder ein vorhandenes Gebäude aufgestockt wird, dann mag das in geschlossener Bauweise baurechtlich zulässig sein, es ändert aber nichts daran, dass sich das neue Bauvorhaben in unterschiedlicher Weise negativ auf das vorhandene Gebäude auswirken kann.

Negative Folgen

Negative Auswirkungen dieser Art können einerseits Veränderungen des Topoklimas durch Schattenwurf oder nachteilige Veränderung des Luftaustausches sein. Andererseits kann durch das höhere Bauwerk auch die Funktionsfähigkeit von Schornsteinen und Lüftungsleitungen des niedrigeren Gebäudes beeinträchtigt werden, indem ihnen die notwendige Zugluft genommen wird. Oft wird schließlich auch der Fernseh- und Rundfunkempfang im niedrigeren Gebäude infolge Abschattung oder Reflexion durch das höhere Gebäude empfindlich gestört.

Rechtliche Bewertung

Derartige Beeinträchtigungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie im Gegensatz zu den in § 906 BGB genannten Einwirkungen, wie den grenzüberschreitenden Luftverunreinigungen oder Geruchsbelästigungen, nicht einem angrenzenden Grundstück zugeführt werden, sondern als mittelbare Folge des höher gebauten Gebäudes dem niedrigeren Gebäude lediglich bisherige Vorteile entziehen. Mit anderen Worten sind sie die negativen Auswirkungen des höher gebauten Gebäudes, das alleine durch sein Vorhandensein stört. Derartige negative Einwirkungen fallen nach ständiger Rechtsprechung nicht unter § 906 BGB, sodass der Nachbar nicht die Möglichkeit hat, mit einer Klage nach den §§ 1004, 906 BGB gegen sie vorzugehen.[1]

Derartige negative Einwirkungen, die als Folge einer rechtlich zulässigen Grundstücksnutzung für das Nachbargrundstück gewisse mittelbare Nachteile mit sich bringen, müssen deshalb vom Nachbarn grundsätzlich hingenommen werden. Es sei denn, ihm steht im Einzelfall aufgrund des von der Rechtsprechung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entwickelten Rechtsinstituts des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses ein Abwehr- oder Ausgleichsanspruch wegen besonders schwerer Beeinträchtigung zu. So kann es nach Auffassung des BGH[2] nach den Grundsätzen von Treu und Glauben geboten sein, dass der Erbauer eines Hochhauses, durch dessen Abschattungswirkung der Fernsehempfang im Nachbargebäude unmöglich gemacht wird, dem Nachbarn auf dessen Kosten die Errichtung einer eigenen Antenne auf dem Hochhaus oder den Anschluss an die Hochhausantenne gestattet, wenn eine einschlägige landesgesetzliche Regelung fehlt.

Insoweit ist es nur folgerichtig, dass nach der Rechtsprechung auch eine Baubehörde keine nachbarschützenden Rechte verletzt und sich damit keinem Schadensersatzanspruch des Nachbarn wegen Amtspflichtverletzung aussetzt, wenn ein genehmigtes Hochhaus eine Störung des Fernsehempfangs auf dem Nachbargrundstück verursacht[3]:

Landesrecht

Mit dieser Rechtslage übereinstimmend gehen die einschlägigen Landesvorschriften ebenfalls davon aus, dass die aufgezeigten negativen Einwirkungen vom Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen sind. Zum Ausgleich bestimmter Nachteile verbessern sie jedoch seine Rechtsposition insoweit, als er bei einer technisch notwendigen Erhöhung von Schornsteinen, Lüftungsleitungen und Antennenanlagen als unabdingbare technische Einrichtungen auf seine Kosten die baulichen Anlagen des höher bauenden Nachbarn in Anspruch nehmen darf, soweit dies technisch notwendig, baurechtlich zulässig und dem höher bauenden Nachbarn zumutbar ist.

[1] Vgl. LG Köln, Urteil v. 25.6.1970, 2 O 146/70, BB 1971, 1080 (gestörter Fernsehempfang); AG Frankfurt/M., Urteil v. 2.11.1976, 30 C 12330/76, NJW 1977, 1782 (gestörter Fernsehempfang); BGH, Urteil v. 21.10.1983, V ZR 166/82, NJW 1984, 729 (gestörter Fernsehempfang); BGH, Urteil v. 22.2.1991, V ZR 308/89, NJW 1991, 1671.
[2] So BGH, Urteil v. 21.10.1983, V ZR 166/82, NJW 1984, 729 zur Rechtslage in Hamburg, wo eine einschlägige nachbarrechtliche Regelung fehlt.

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