Die im Wesentlichen mit § 536b BGB inhaltsgleiche Vorschrift des § 539 BGB a. F. wurde von der obergerichtlichen Rechtsprechung analog angewandt, wenn im Verlauf der Mietzeit ein Mangel auftritt und der Mieter die Miete gleichwohl über längere Zeit rügelos weiterbezahlt hat.[1] In einem solchen Fall gingen die Gewährleistungsrechte für die Vergangenheit und die Zukunft verloren.

Mietrechtsreform (1.9.2001)

Im Zuge der Mietrechtsreform hat der Gesetzgeber das Mietrecht mit Wirkung vom 1.9.2001 neu geordnet.[2] In der Begründung des Gesetzentwurfs zu den neuen Gewährleistungsvorschriften (§§ 536 bis 536c BGB) ist u. a. ausgeführt, dass die rügelose Fortzahlung der Miete trotz mangelhafter Mietsache nicht mehr zum Verlust der Gewährleistungsrechte führen soll; im Ausnahmefall könne die Minderungsbefugnis aber verwirkt sein. In der Folgezeit war in der Rechtsprechung und Literatur streitig, ob die frühere Rechtsprechung zu § 539 BGB a. F. weiterhin anzuwenden ist. Diese Frage hat nunmehr der BGH in dem Urteil vom 16.7.2003[3] abschließend entschieden.[4]

Es gelten folgende Grundsätze:

  1. Das durch die Mietrechtsreform geschaffene neue Mietrecht gilt auch für solche Mietverträge, die bereits vor dem 1.9.2001 abgeschlossen worden sind.
  2. Für alle Mietansprüche, die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes – also vor dem 1.9.2001 – bereits entstanden sind, verbleibt es bei der früheren Rechtsprechung zu § 539 BGB a. F. Werden Mietansprüche bis einschließlich August 2001 geltend gemacht, so sind diese Ansprüche nach altem Recht zu prüfen. War die Minderungsbefugnis nach altem Recht erloschen, so verbleibt es dabei.
  3. Alle Mietansprüche für die Zeit vom September 2001 und später sind nach neuem Recht zu prüfen.
  4. Für das neue Recht gilt, dass die ungeminderte Mietzahlung trotz mangelhafter Mietsache grundsätzlich nicht den Verlust der Minderungsbefugnis zur Folge hat. Eine analoge Anwendung des § 536b BGB (entspricht § 539 BGB a. F.) ist ausgeschlossen.
  5. Hat der Mieter nach dem 1.9.2001 trotz eines Mangels die Miete in voller Höhe weiterbezahlt, kann er die in der Vergangenheit geleistete Überzahlung in der Regel nicht zurückfordern. Dem Rückforderungsanspruch steht § 814 BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift kann das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Es sei davon auszugehen, dass den Mietern das Minderungsrecht bekannt ist. Für die Zukunft ist der Mieter aber zur Minderung berechtigt.
  6. Das Minderungsrecht geht ausnahmsweise verloren, wenn der Mieter hierauf ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet hat.
  7. Weiterhin ist denkbar, dass der Mieter das Minderungsrecht verwirkt hat. Die Fortzahlung der Miete über eine längere Zeit reicht für die Annahme einer Verwirkung nicht aus. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, die einzelfallbezogen festzustellen sind. Ebenso kann die Person des Mieters (Mieter von Wohnraum oder geschäftserfahrener Mieter von Gewerberaum) von Bedeutung sein.

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