- Im Falle der Beifügung eines Sachverständigengutachtens ist der Pflicht des Vermieters zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird, und zwar in einem Umfang, der es dem Mieter gestattet, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können. Der Sachverständige muss somit eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen (Fortführung von BGH, Urteil v. 3.2.2016, VIII ZR 69/15, NJW 2016 S. 1385, Rn. 10).
- Nach dieser Maßgabe ist das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters nicht schon deshalb aus formellen Gründen unwirksam mit der Folge, dass die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung als unzulässig abzuweisen wäre, weil der Sachverständige die betreffende Wohnung zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht besichtigt hat.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Die Entscheidungen betreffen mehrere Verfahren auf Zustimmung der Mieter zur Mieterhöhung nach § 558 BGB. Die Mieterhöhungsverlangen sind mit einem Sachverständigengutachten begründet. Der Sachverständige hat die Wohnungen nicht besichtigt. In den Gutachten ist hierzu Folgendes ausgeführt:
"Die Wohnungen konnten nicht besichtigt werden, da keine Mieter angetroffen wurden oder sich dazu bereit erklärt haben. Deshalb wird in diesem Gutachten auf frühere Besichtigungen oder [die] mir zur Verfügung gestellten Besichtigungsdaten des Auftraggebers und Wohnungsbeschreibungen des Auftraggebers Bezug genommen. Es wurden von mir auch schon genügend Wohnungen des Auftraggebers besichtigt, die in der Ausstattung ähnlich sind ..."
Die Klagen wurden von den Vorinstanzen mit der Begründung abgewiesen, dass die jeweiligen Gutachten den Anforderungen des § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht genügen. Der BGH hob die Urteile auf.
Begründetes Sachverständigengutachten
Nach § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB kann zur Begründung der Mieterhöhung u. a. Bezug genommen werden auf "ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen". Insoweit ist anerkannt, dass das Gutachten u. a. diejenigen Tatsachen angeben muss, aus denen der Sachverständige die Zuordnung der Wohnung zu der verlangten Miete herleitet. Hierzu zählen insbesondere Ausführungen zur Beschaffenheit der Wohnung.
Typengutachten nach Besichtigung baugleicher Wohnungen
In der Literatur wird hierzu teilweise die Ansicht vertreten, dass der Sachverständige grundsätzlich die konkrete Wohnung besichtigen und deren Zustand beschreiben muss; unter Umständen sei es ausreichend, wenn der Sachverständige eine oder mehrere baugleiche Wohnungen besichtigt (sog. Typengutachten; V. Emmerich, in Staudinger, § 558a Rn. 41; Börstinghaus, in Schmidt-Futterer, § 558a BGB Rn. 88; Artz, in MüKomm, § 558a Rn. 26).
Ein ohne Besichtigung erstattetes Gutachten ist nach dieser Ansicht formell unwirksam mit der weiteren Folge, dass die Mieterhöhungsklage als unzulässig abzuweisen ist.
Anforderungen an das Gutachten
Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Er hat bereits in dem Urteil vom 3.2.2016 (VIII ZR 66/15, NJW 2016 S. 1385) ausgeführt, dass hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an ein Gutachten zum Nachweis der ortsüblichen Miete zu unterscheiden sei:
- Hohe Anforderungen gelten, wenn das Gutachten im gerichtlichen Verfahren zum Beweis für die Höhe der ortsüblichen Miete verwendet wird.
- An das zur formellen Begründung der Mieterhöhungserklärung in Bezug genommene Gutachten sind dagegen nur geringe Anforderungen zu stellen.
Denn das Mieterhöhungsverlangen soll den Mieter lediglich in die Lage versetzen, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise nachzuvollziehen. Es sei nicht erforderlich, dass durch das Gutachten die ortsübliche Miete zweifelsfrei nachgewiesen wird.
An diesen Grundsätzen hält der BGH fest. Es genügt, wenn der Mieter "zumindest ansatzweise" selbst überprüfen kann, ob die Mieterhöhung gerechtfertigt ist. Hierzu bedarf es in formeller Hinsicht nicht notwendigerweise einer vorherigen Besichtigung der betreffenden Wohnung durch den Sachverständigen.
BGH, Urteile v. 11.7.2018, VIII ZR 136/17 und VIII ZR 190/17
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