Leitsatz

1. Der Vermieter kann das Mieterhöhungsverlangen auch dann mit dem Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde begründen, wenn die jeweiligen Gemeinden nicht aneinander grenzen.

2. Ein einfacher Mietspiegel i. S. d. § 558c Abs. 1 BGB bildet ein gewichtiges Indiz dafür, dass die dort enthaltenen Werte die ortsübliche Miete wiedergeben. Der Vermieter kann die Indizwirkung widerlegen. Allerdings muss er hierzu substanziierte Einwendungen erheben und hierfür Beweis antreten.

(Leitsätze der Redaktion)

 

Normenkette

BGB §§ 558a Abs. 4 Satz 2; 558c Abs. 1

 

Kommentar

1 Der Fall

Das Verfahren betrifft eine Mieterhöhung nach § 558 BGB für eine in Backnang gelegene Wohnung. Der Vermieter hat das Erhöhungsverlangen mit dem Mietspiegel der Stadt Schorndorf begründet. Die Instanzgerichte haben der Klage stattgegeben. Der BGH hatte darüber zu entscheiden, unter welchen formellen Voraussetzungen ein Mieterhöhungsverlangen unter Bezugnahme auf den (einfachen) Mietspiegel einer anderen Gemeinde gestützt werden kann und welche materiell-rechtlichen Anforderungen in diesem Fall an die gerichtliche Entscheidungsfindung zu stellen sind.

2 Formelle Voraussetzungen: Vergleichbare Gemeinden

Ein Mieterhöhungsverlangen kann u. a. unter Bezugnahme auf einen Mietspiegel begründet werden (§ 558a Abs. 2 Nr. 1 BGB). Ist in der Gemeinde kein Mietspiegel vorhanden, kann der Vermieter auch auf den Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde Bezug nehmen (§ 558a Abs. 4 Satz 2 BGB).

Die Stadt Backnang zählt ca. 36.000 Einwohner. In dieser Gemeinde existiert kein Mietspiegel. Die Stadt Schorndorf hat ca. 40.000 Einwohner; in dieser Gemeinde gibt es einen sog. Tabellenmietspiegel. Die beiden Gemeinden gehören zum Rems-Murr-Kreis; ihre jeweilige Entfernung von Stuttgart beträgt etwa 26 bis 27 km. Mit der Landeshauptstadt sind die Gemeinden jeweils durch die S-Bahn verbunden. Jedoch grenzen die Gemeinden nicht aneinander; es handelt sich also nicht um Nachbargemeinden im engeren Sinn.

Zu der Frage der Vergleichbarkeit von Gemeinden existiert eine umfangreiche instanzgerichtliche Rechtsprechung (Nachweise bei Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, § 558a BGB Rdn. 46). Hier wurde die Vergleichbarkeit vom Mieter bestritten. Das Amtsgericht hat einen Sachverständigen beigezogen. Nach dessen Gutachten ist das Mietniveau der Städte Schorndorf und Backnang vergleichbar.

3 Materielle Voraussetzungen: Einfacher Mietspiegel

Bei dem Mietspiegel der Stadt Schorndorf handelt es sich um einen einfachen Mietspiegel im Sinne von § 558c Abs. 1 BGB, der von dem Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverein Schorndorf und Umgebung e. V., dem Deutschen Mieterbund, Mieterverein Waiblingen und Umgebung e. V. (Beratungsstelle Schorndorf) und dem Bürgermeisteramt der Stadt Schorndorf gemeinsam erstellt worden ist. Bei einfachen (nicht qualifizierten) Mietspiegeln wird diskutiert, ob sie Grundlage der gerichtlichen Entscheidungsfindung sein können. Der BGH führt hierzu aus, dass ein solcher Mietspiegel ein gewichtiges Indiz dafür darstellt, dass die dort enthaltenen Werte die ortsübliche Miete wiedergeben. Der Vermieter kann die Indizwirkung widerlegen. Allerdings muss er hierzu substanziierte Einwendungen erheben und hierfür Beweis antreten.

Praxis-Beispiel

Einwände gegen einfachen Mietspiegel

Der BGH benennt folgende Fälle:

1. den Erstellern des Mietspiegels fehlt die erforderliche Sachkunde;

2. die Ersteller haben sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen;

3. der Mietspiegel beruht auf unrichtigem oder nicht repräsentativem Datenmaterial.

Anmerkung

Mieterhöhung nur mit Mietspiegel möglich

1. Das Problem, ob ein Mieterhöhungsverlangen auch dann formell wirksam begründet ist, wenn nach äußeren Merkmalen eine Vergleichbarkeit der Gemeinden gegeben ist und sich im gerichtlichen Verfahren herausstellt, dass sich das jeweilige Mietniveau signifikant unterscheidet, spielte hier keine Rolle. Die Frage ist zu bejahen, weil nach Wortlaut und Sinn des § 558a Abs. 4 Satz 2 BGB die formelle Wirksamkeit eines Mieterhöhungsverlangens nur von der Vergleichbarkeit der Gemeinden und nicht von der Vergleichbarkeit des Mietniveaus abhängt; dieses ist eine Frage der Begründetheit des Mieterhöhungsverlangens.

2. Das Amtsgericht hat einen Sachverständigen zur Einordnung der Bezugswohnung in eine der Mietspiegelkategorien beigezogen. Die Beiziehung eines Sachverständigen ist aus Rechtsgründen nicht erforderlich. Das Gericht kann seine Entscheidung auch ausschließlich auf den Mietspiegel stützen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 16.6.2010, VIII ZR 99/09, NJW 2010 S. 2946

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