Leitsatz

Wohnungseigentümer können im Einzelfall beschließen, bei Liquiditätsengpässen auf die Instandhaltungsrückstellung zurückzugreifen. Der Rückgriff entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Modalitäten der Inanspruchnahme präzise geregelt sind. Unter anderem sind die Höhe einer unantastbaren eisernen Reserve und die zeitliche Komponente dieser Maßnahme zu definieren

 

Normenkette

§ 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG

 

Das Problem

Wohnungseigentümer gestatten 2012 Verwalter V durch Beschluss, bei Liquiditätsengpässen bis zur Höhe von 10.000 EUR kurzfristig auf die Instandhaltungsrückstellung zurückzugreifen. Hiergegen geht ein Wohnungseigentümer vor.

 

Die Entscheidung

  1. Der Beschluss sei nicht ordnungsmäßig. Der Verwalter könne nicht ermächtigt werden, generell bei Liquiditätsengpässen kurzfristig und unabhängig von der konkreten Höhe sowie ohne Klärung des Begriffs "Liquiditätsengpass" auf die Instandhaltungsrückstellung zuzugreifen.
  2. Grundsätzlich widerspreche es der Zweckbestimmung einer Instandhaltungsrückstellung und bewege sich damit nicht mehr im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn die Instandhaltungsrückstellung für andere Maßnahmen, etwa zum Ausgleich von Hausgeldausfällen, verwendet werde (Hinweis auf OLG München v. 20.12.2007, 34 Wx 76/07, NZM 2008 S. 613; LG Saarbrücken v. 24.4.1999, 5 T 691/98, NZM 1999 S. 870). Die Instandhaltungsrückstellung habe den gesetzlichen (hier von der Gemeinschaftsordnung auch nicht modifizierten) Zweck, notwendige größere Reparaturen des gemeinschaftlichen Eigentums zu sichern (Hinweis auf OLG München v. 20.12.2007, 34 Wx 76/07, NZM 2008 S. 613). Über Entnahmen aus der Instandhaltungsrückstellung könnten die Wohnungseigentümer mit Mehrheit beschließen (BayObLG v. 29.7.2004, 2 Z BR 092/04, NZM 2004 S. 745). Ein Beschluss, eine vorhandene Instandhaltungsrückstellung wieder aufzulösen, liege allerdings nur dann im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung, von dem durch Beschluss nicht abgewichen werden könne, wenn dies nicht zur Unterschreitung der von § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG gebotenen Sicherheit führe (Hinweis auf OLG Saarbrücken v. 20.7.1998, 5 W 110/98-35, NJW-RR 2000 S. 87). Deshalb widerspreche es in der Regel den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung, die Instandhaltungsrückstellung vollständig oder bis auf einen unbedeutenden Rest aufzulösen. Der Grundsatz der Zweckbindung dieser Instandhaltungsrückstellung erfordere den Verbleib einer "eisernen Reserve". Diese erforderliche Mindestreserve, die nicht unterschritten werden dürfe, könne nicht abstrakt festgelegt werden, ihre Höhe hängt vielmehr von dem Zustand, dem Alter und der Reparaturanfälligkeit der Wohnungseigentumsanlage ab (Hinweis auf LG Saarbrücken v. 24.4.1999, 5 T 691/98, NZM 1999 S. 870). Jedoch ließen Rechtsprechung und Schrifttum in mehr oder minder engen Grenzen Ausnahmen zu. In der Instandhaltungsrückstellung gebundene Mittel, die jedenfalls eine angemessene Höhe übersteigen, könnten für andere Zwecke verwendet werden. Für die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses könne es damit – abgesehen von Feststellungen zur Höhe der seinerzeit vorhandenen Instandhaltungsrückstellung – auch eine Rolle spielen, welche absehbaren Instandsetzungsmaßnahmen in der nächsten Zeit anstanden und welchen Kapitaleinsatz sie erforderten, ferner welche Aussichten vorhanden waren, einerseits die Rückstände doch noch einzutreiben und andererseits die Rücklage wieder aufzufüllen.
  3. Ausgehend von diesen Grundsätzen sei die beschlossene Regelung zu unbestimmt. Sie lege insbesondere nicht fest, welche Beträge als Instandhaltungsrückstellung notwendig sind und nicht angegriffen werden dürfen. Es sei zwar nicht zu verkennen, dass der Beschluss in seinen Auswirkungen durchaus den Grundsätzen, nach denen die Rechtsprechung einen Zugriff auf die Instandhaltungsrückstellung gestatte, entsprochen haben könnte. Denn, da die Instandhaltungsrückstellung damals einen Stand von 180.000 EUR erreicht hatte, könne angesichts des Alters und des Zustands des gemeinschaftlichen Eigentums 2012 durchaus ein Zugriff in Höhe von bis zu 10.000 EUR unbedenklich gewesen sein. Bei der Auslegung von Beschlüssen sei aber von dem Wortlaut auszugehen. Die Rahmenbedingungen müssten außer Betracht bleiben. Die beschlossene Ermächtigung habe über den Zeitpunkt der Beschlussfassung hinaus Bestand, sodass sie auch unter gänzlich anderen wirtschaftlichen Umständen Geltung haben könnte, obwohl diese wirtschaftlichen Umstände nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung für einen Zugriff auf die Instandhaltungsrückstellung entwickelt habe, einen solchen Zugriff nicht mehr gestatten würden.
 

Kommentar

Anmerkung

Die Entscheidung fasst die Grundsätze im Zusammenhang mit einer "Umwidmung" der in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Mittel gut zusammen.

Was ist für Verwalter wichtig?

  1. Eigentlich stellt sich für jeden Verwalter die Frage, ob und in welchem Umfang er für andere Zwecke als gerade die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums auf die Instandhaltungsrückstell...

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