Zusammenfassung

 
Überblick

Seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) am 1.12.2020 kann die Montage von Markisen den Wohnungseigentümern nach § 20 Abs. 1 WEG durch einfach-mehrheitliche Beschlussfassung genehmigt werden. Ob sich von der Markise einzelne Wohnungseigentümer wegen einer Änderung des optischen Gesamterscheinungsbilds beeinträchtigt fühlen, ist nicht mehr maßgeblich. Ein Anspruch auf entsprechende Gestattungsbeschlussfassung besteht andererseits nur dann, wenn das Einverständnis aller rechtlich beeinträchtigten Wohnungseigentümer vorliegt. Und in diesem Zusammenhang läge ein rechtlich relevanter Nachteil durchaus in der Änderung des optischen Gesamterscheinungsbilds der Wohnanlage.

1 Regelung in der Gemeinschaftsordnung?

Was die Zulässigkeit der Montage von Markisen angeht, sind selbstverständlich zunächst die Bestimmungen in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung zu beachten. Hier können Markisen ausdrücklich gestattet und bestimmte Vorgaben im Hinblick auf Größe, Art und farbliche Gestaltung enthalten sein.

 
Hinweis

Grundsätzliches Markisenverbot?

Denkbar ist auch ein grundsätzliches Verbot des Anbringens von Markisen. Gegen Sonneneinstrahlung können sich die Wohnungseigentümer nämlich durch Sonnenschirme schützen.

2 Bauliche Veränderung

Grundsätzlich stellt die Montage einer Markise eine bauliche Veränderung i. S. v. § 20 Abs. 1 WEG dar. Die Montage ist nämlich mit einem substantiellen Eingriff in das Gemeinschaftseigentum verbunden. Gesichtspunkte einer optischen Beeinträchtigung bzw. Veränderung des Gesamterscheinungsbilds der Wohnanlage spielen insoweit keine Rolle. Seit Inkrafttreten des WEMoG am 1.12.2020 bedarf einerseits jede bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums einer Gestattungsbeschlussfassung. Andererseits steckt § 20 Abs. 4 WEG großzügige Grenzen, wann ein Beschluss über entsprechende Gestattungsmaßnahmen eine ordnungsmäßige Verwaltung überschreitet. Dies ist lediglich dann der Fall, wenn die konkrete bauliche Veränderung die Wohnanlage grundlegend umgestalten würde oder aber zu einer unbilligen Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer gegenüber anderen Wohnungseigentümern führen würde. In aller Regel ist weder das eine noch das andere im Fall der Montage einer Markise überhaupt denkbar.

 
Praxis-Beispiel

Mehrheitsbeschluss bzgl. Markisenmontage

Ein Wohnungseigentümer begehrt die Gestattung der Montage einer Markise im Bereich seines Balkons. Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen stützt das Begehren des Wohnungseigentümers, weshalb ein entsprechender Gestattungsbeschluss zustande kommt. Auch wenn sich ein anderer Wohnungseigentümer an der Markise stören sollte, weil sie das optische Erscheinungsbild der Wohnanlage verändern würde, wäre seine Anfechtungsklage zum Scheitern verurteilt, weil die Grenzen des § 20 Abs. 4 WEG nicht überschritten werden. Bei mehrheitlicher Gestattung kommt es nicht mehr auf ein Überschreiten des Maßes nach § 14 Nr. 1 WEG a. F. bzw. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG n. F. an.

Würde der Beschlussantrag hingegen abgelehnt werden, könnte eine entsprechende Beschlussersetzungsklage des Wohnungseigentümers lediglich dann erfolgreich sein, wenn nach § 20 Abs. 3 WEG das Einverständnis sämtlich rechtlich relevant beeinträchtigter Wohnungseigentümer zu der Markisenmontage vorliegen würde. Eine insoweit rechtlich relevante Beeinträchtigung liegt aber auch in einer optischen Veränderung des Gesamterscheinungsbilds der Wohnanlage, weshalb im Zweifel das Einverständnis aller Wohnungseigentümer erforderlich wäre. So also bereits der entsprechende Beschlussantrag abgelehnt wurde, kann das Einverständnis in der Regel sämtlicher Wohnungseigentümer wohl nur im theoretischen Ausnahmefall einmal dann gegeben sein, wenn alle ihre Meinung ändern.

 
Wichtig

Keine "Gleichheit im Unrecht"

Wohnungseigentümer sollten sich nicht dazu verleiten lassen, etwa bei bereits vorhandenen und eigenmächtig montierten Markisen anderer Wohnungseigentümer nunmehr ebenfalls eigenmächtig ihrerseits eine Markise zu montieren. Auch bei einem bereits als uneinheitlich empfundenen optisch ästhetischen Gesamteindruck der Fassade einer Wohnanlage kann sich eine nachteilige Veränderung aus einer Verstärkung und Intensivierung dieses Eindrucks ergeben.[1] Selbst wenn also von anderen Wohnungseigentümern nicht genehmigte bauliche Veränderungen vorgenommen wurden, würde dies nicht zu einer Gleichheit im Unrecht dergestalt führen, dass sich einzelne Wohnungseigentümer auf diesen Umstand zur Rechtfertigung ihrer baulichen Maßnahme – also der Montage einer Markise – berufen könnten.[2]

 
Wichtig

"Gleichheit" aber bei Beseitigungsverlangen

So allerdings die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtlich die Beseitigung einer ungenehmigten Markisenmontage begehrt, ist durchaus zu berücksichtigen, ob ein einheitliches optisches Erscheinungsbild mit Blick auf in der Vergangenheit durchgeführte bauliche Veränderungen ohnehin nicht mehr vorhanden wäre. Dann könnte der Inanspruch genommene Wohnungseigentümer diesen Umstand dem Beseitigungsverlangen erfolgreich entgegenhalten.[3]

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