Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederaufnahme eines abgeschlossenen sozialgerichtlichen Verfahrens

 

Orientierungssatz

1. Ein sozialgerichtliches Verfahren kann nur in Ausnahmefällen wiederaufgenommen werden. Entweder müssen die für die Nichtigkeitsklage erforderlichen Voraussetzungen des § 579 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ZPO vorliegen, nämlich: nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, Mitwirkung eines ausgeschlossenen oder abgelehnten Richters oder eine nicht ordnungsgemäße Vertretung.

2. Oder es liegt einer der zur Zulässigkeit der Restitutionsklage nach § 580 ZPO in den Nummern 1 bis 8 aufgeführten Gründe vor. Diese sind abschließend geregelt.

3. Soweit der Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 7 b ZPO geltend gemacht wird, ist eine Urkunde vorzulegen, die eine für den Beteiligten günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Diese Urkunde muss spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung errichtet gewesen sein.

 

Tenor

Die Wiederaufnahmeklage des Klägers wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens L 1 R 501/06, in dem das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) mit Urteil vom 6. November 2008 eine Berufung des Klägers gegen ein Urteil des Sozialgerichts Halle (SG) vom 21. September 2006 (S 12 RA 439/04) zurückgewiesen hatte. In der Sache stritt der Kläger mit der Beklagten darum, ob Zeiten der Zugehörigkeit zu der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech, Anlage 1 Nr. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes, AAÜG) anzuerkennen sind.

Der 1932 geborene Kläger erhielt mit Urkunde der M.- L.-Universität H.-W. vom ... 1957 den akademischen Grad eines Diplom-Chemikers verliehen. Ein Antrag des Klägers auf Anerkennung seiner Beschäftigungszeiten vom 1. März 1965 bis zum 30. Juni 1990 in dem VEB Leuna-Werke als Zeit der Zugehörigkeit zu der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz wurde abgelehnt (Bescheid vom 7. März 2000, Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2002). Die Klage wurde mit Urteil des SG vom 21. September 2006 (Az: S 12 RA 439/04) abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Urteil vom 6. November 2008 zurückgewiesen (Az: L 1 R 501/06). Das LSG führte u. a. aus, die Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung lägen bei Diplom-Chemikern nicht vor (unter Verweis auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteile vom 10. April 2002, Az: B 4 RA 32/01 R und B 4 RA 18/01 R, beide dokumentiert in juris). Diese Rechtsprechung sei auch verfassungsgemäß (unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 4. August 2004, Az: 1 BvR 1557/01, SozR 4-8570 § 5 Nr. 4). Das Urteil wurde dem Kläger am 14. November 2008 zugestellt und ist rechtskräftig.

Am 25. Mai 2009 hat der Kläger bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt die Wiederaufnahme des Verfahrens L 1 R 501/06 beantragt. Zur Begründung hat er auf einen Schriftwechsel mit der Beklagten verwiesen (siehe Bl. 201, 202 der Gerichtsakten). Darin hat er an die Beklagte Fragen zu der Zusatzversorgung der Diplom-Chemiker gerichtet, welche die Beklagte mit einem Schreiben vom ... 2009 beantwortet hat.

Der Kläger beantragt,

das Verfahren bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 1 R 501/06 wiederaufzunehmen,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. September 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 7. März 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2002 zu verpflichten, die Zeiträume vom 15. Oktober 1957 bis 28. Februar 1961 sowie vom 1. August 1965 bis 30. Juni 1990 als Zeiträume der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anl. 1 Nr. 1 AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen und

der Beklagten zu untersagen, zu behaupten, der Anspruch des Klägers scheitere bereits daran, dass er als Diplom-Chemiker nicht berechtigt war, eine Berufsbezeichnung zu führen, die ihm die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz ermöglichte, so lange keine diesbezüglichen DDR-Dokumente vorgelegt werden können.

Die Beklagte beantragt,

die Wiederaufnahmeklage des Klägers abzuweisen.

Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Das Verfahren ist nicht wieder aufzunehmen, da Wiederaufnahmegründe nicht vorliegen. Nach § 179 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. §§ 578 - 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein sozialgerichtliches Verfahren nur in Ausnahmefällen wiederaufgenommen werden. Möglich ist eine Nichtigkeits- oder eine Restitutionsklage (§ 578 Abs. 1 ZPO).

Dafür, dass die für die Nichtigkeitsklage erforderlichen Voraussetzungen des § 579 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ZPO vorliegen (nicht vorschriftsmäßi...

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