Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 bzw § 193 Abs 3 VVG 2008- TRICARE. Gesundheitsfürsorge für US-Militärpersonal und deren Angehörige. anderweitige Absicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 bzw § 193 Abs 3 VVG 2008 (sog Auffangversicherung) einer 89-jährigen Amerikanerin, die bis 1958 in der deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert war und seit 1959 über ihren amerikanischen Ehemann in der Gesundheitsfürsorge für amerikanische Soldaten und deren Angehörige (TRICARE) ohne Anspruch auf Zahnbehandlung versichert ist.

2. Träger der Auffangversicherung ist nach Maßgabe der Buchst a und b des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 die GKV oder die Private Krankenversicherung (PKV). Hat eine dieser beiden Versicherungsformen vor dem Zustand der Nichtabsicherung einmal bestanden, erfolgt die Zuordnung gem Buchst a zu derjenigen, die zuletzt bestanden hat. Dabei hat eine Absicherung, die weder der GKV noch der PKV zuzuordnen ist (zB reine Beihilfe, Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten), anders als in der Pflegeversicherung (§ 23 Abs 3 und 4 SGB 11) außer Betracht zu bleiben (BSG vom 12.1.2011 - B 12 KR 11/09 R = BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13 = juris, RN 18).

3. Die Gesundheitsfürsorge für das aktive und das im Ruhestand befindliche US-Militärpersonal und seine Angehörigen (TRICARE), deren Träger das US-Verteidigungsministerium bzw die Vereinigten Staaten von Amerika sind, ist weder der GKV noch der PKV zuzurechnen. Es handelt sich um ein der Beihilfe für Beamte vergleichbares System der staatlichen Gesundheitsfürsorge.

4. Eine anderweitige Absicherung, bei deren Bestehen keine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 eintritt, muss im Lichte der Parallelnorm für die PKV (§ 193 Abs 3 VVG 2008) grundsätzlich einen Vollschutz im Krankheitsfall bieten. Ein Vollschutz in diesem Sinne erfordert keine Absicherung für Zahnbehandlung. Die TRICARE-Gesundheitsfürsorge ist danach als anderweitige Absicherung anzusehen, die einer Versicherungspflicht in der Auffangversicherung entgegensteht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.03.2013; Aktenzeichen B 12 KR 14/11 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. März 2010 - S 16 KR 73/08 - wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die durch gerichtlich bestellte Betreuerin vertretene Klägerin seit dem 1. April 2007 nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) - bei der beklagten AOK in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherungspflichtig ist.

Die 1918 geborene Klägerin war ursprünglich deutsche Staatsangehörige und führte nach 1945 als abhängig Beschäftigte Sozialversicherungsbeiträge ab. 1959 heiratete sie einen amerikanischen Soldaten und verzog in die USA. Mit der Heirat wurde sie amerikanische Staatsangehörige und ist dies auch weiterhin. Als Angehörige ihres 1981 verstorbenen Ehemannes ist sie über dessen amerikanische Krankenversicherung TRICARE krankenversichert. Im Jahre 1987 kehrte die Klägerin nach Deutschland zurück, wo sie eine dauernde Aufenthaltserlaubnis besitzt, ohne dass für deren Erteilung eine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes besteht (vgl. § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V). Ein nach ihrer Rückkehr gestellter Antrag auf Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung wurde abgelehnt, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits älter als 65 Jahre war. Seit 1984 bezieht die Klägerin Altersrente aus GKV in Höhe von zuletzt monatlich ca. 280,00 EUR sowie eine amerikanische Witwenrente in Höhe von umgerechnet ca. 540,00 EUR nach Abzug eines Beitrags für TRICARE in Höhe von 177,00 US-Dollar. Nach einem langen Krankenhausaufenthalt im Jahre 2006 ist die demenzerkrankte Klägerin pflegebedürftig (zuletzt Pflegestufe II) und bewohnt ein Alten- und Pflegeheim in H. an der Saale zu Kosten in Höhe von ca. 2.100,00 EUR monatlich.

Im April 2007 bat die Klägerin die Beklagten unter Hinweis auf die zum 1. April dieses Jahres eingeführte Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V um Prüfung ihrer Versicherungspflicht in der GKV. Ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Sinne dieser Vorschrift bestehe nicht. Einer Absicherung als Rentnerin gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V stehe entgegen, dass sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages nicht mindestens 9/10 der zweiten Hälfte dieses Zeitraums Mitglied in der GKV oder nach § 10 SGB V familienversichert gewesen sei (so genannte Neun-Zehntel-Regelung). Ferner beziehe sie keine laufenden Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebenten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 i.V.m. Abs. 8a SGB V). Auch bestehe weder eine freiwillige noch eine Familienversicherung im Sinne der §§ 9 und 10 SGB V.

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