Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. kein Anordnungsgrund bei vorhandenem Schonvermögen. Eilbedürftigkeit. Finanzielle Notlage. Angebot eines Darlehens durch das Jobcenter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren besteht regelmäßig kein Anordnungsgrund, wenn der Antragsteller sofort verfügbares Sparvermögen hat. Es ist ihm zuzumuten, zunächst Sparbeträge als bereite Mittel zur Deckung des Bedarfs einzusetzen, auch wenn es sich um Schonvermögen handelt. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes setzt eine akute Notlage voraus.

2. Der SGB II-Leistungsbezieher ist regelmäßig verpflichtet, ein ihm angebotenes Darlehen zu prüfen und dessen konkreten Inhalt mit dem Leistungsträger abzuklären, bevor ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt werden kann. Unterlässt er dies, fehlt es regelmäßig an einem Anordnungsgrund.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 2 S. 2; SGB II § 2 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt R., B., wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) erstrebt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die (vorläufige) Verpflichtung des Beschwerdegegners und Antragsgegners (im Folgenden: Antragsgegner) zur Übernahme von Kosten zur Beschaffung von Kohle in Höhe von 1280,00 EUR.

Die 1958 geborene Antragstellerin bewohnt mit ihrem 1952 geborenen Ehemann ein Eigenheim in B. (Wohnfläche: ca. 79 m²). Die Beheizung erfolgt mit Kohle, die Aufbereitung von Warmwasser über Strom. Der Ehemann der Antragstellerin bezieht eine monatliche Altersrente (für schwer behinderte Menschen) in Höhe von 973,20 EUR.

Mit Bescheid vom 11. August 2016 lehnte der Antragsgegner (auf einen Folgeantrag der Antragstellerin ab 1. Juli 2016) die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ab: Die Antragstellerin sei nicht hilfebedürftig. Das anzurechnende Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft (bestehend aus der Antragstellerin und ihrem Ehemann) übersteige den Gesamtbedarf. Nach den anliegenden Berechnungsbögen ergaben sich übersteigende monatliche Einnahmen in Höhe von 118,83 EUR (Juli 2016), 141,86 EUR (August 2016) 158,46 EUR (September 2016), 118,83 EUR (Oktober 2016), 141,84 EUR (November 2016), 158,46 EUR (Dezember 2016), 158,84 EUR (Januar 2017) 181,86 EUR (Februar 2017), 198,46 EUR (März 2017), 158,83 EUR (April 2017), 181,86 EUR (Mai 2017) und 198,46 EUR (Juni 2017). Über den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit welchem die Antragstellerin die Nichtberücksichtigung von ernährungsbedingten Mehrbedarfen wegen Laktoseintoleranz bzw. Multiallergien sowie näher bezeichneten Betriebs- und Nebenkosten für das Haus geltend machte, hat der Antragsgegner bislang nicht entschieden.

Die Antragstellerin beantragte am 8. September 2012 die Gewährung von Leistungen zur Beschaffung von Brennstoffen (für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 1. Juli 2017) in Höhe von 1280,00 EUR. Die Kohle solle im Oktober 2016 bestellt werden.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom 27. Oktober 2016 abgelehnt: Es ergebe sich unter Berücksichtigung einer angemessenen Wohnfläche von 60 m² für Oktober 2016 bis Juni 2017 ein angemessener Bedarf in Höhe von 1192,60 EUR, welchem das übersteigende Einkommen in Höhe von insgesamt 1497,44 EUR gegenüberzustellen sei. Die monatlich übersteigenden Beträge seien zur Finanzierung des Heizmaterials anzusparen. Der Antragsgegner verwies im Übrigen darauf, dass eine darlehensweise Übernahme möglich sei, wenn zur Überbrückung des Ansparzeitraums finanzielle Mittel benötigt würden.

Die Antragstellerin hat am 28. Oktober 2016 beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt: Sie verfüge über keine Kohle mehr und könne diese auch nicht aus einem Betrag von 15,00 EUR, den sie seit Juli 2016 als monatliches Wohngeld erhalte, finanzieren. Ihr Girokonto weise einen Negativsaldo aus. "Einen Kredit" brauche sie nicht, da ihr "die Zuwendung" seitens des Antragsgegners zustehe.

Mit Beschluss vom 23. November 2016 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt: Es bestehe jedenfalls kein Anordnungsgrund. Die Antragstellerin bilde mit ihrem Ehemann eine sog. "gemischte Bedarfsgemeinschaft", welcher monatliche Einnahmen in Höhe von 973,20 EUR (Altersrente des Ehemannes) sowie 15,00 EUR (Wohngeld) zur Verfügung stünden. Unterkunftskosten hätte die Antragstellerin in einer eigenen Aufstellung mit jährlich 978,95 EUR (monatlich durchschnittlich ca. 79,00 EUR) angegeben, in der auch die im Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 11. August 2016 monierten Kostenfaktoren enthalten seien. Die zu berücksichtigenden monatlichen Regelbedarfe und Mehrbe...

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