Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes. Fehlen eines förmlichen Antrags bei der Behörde. Asylbewerberleistung. Übernahme der Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechtes mit dem getrennt lebenden Kind. verfassungskonforme Auslegung. erstattungsfähige Kosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Regelungsanordnung ohne vorherigen förmlichen Antrag bei der Behörde ist zulässig, wenn Eilbedürftigkeit hinsichtlich der begehrten Regelung vorliegt und die Behörde mit Wahrscheinlichkeit dem Begehren nicht entsprechen würde.

2. Zur Wahrnehmung des Sorgerechts des Empfängers von Leistungen nach AsylbLG für sein leibliches Kind können bei verschiedenen Wohnsitzen Fahrtkosten gem § 6 Abs 1 AsylbLG erstattet werden, bis über den Antrag auf Wohnsitzänderung entschieden ist. Die Wahrnehmung des unter dem Schutz von Art 6 Abs 2 GG stehenden Sorgerechts ist ein besonderes Bedürfnis des Kindes und ist daher zu fördern.

3. Erstattungsfähig sind jeweils die Kosten für den günstigsten Tarif der öffentlichen Verkehrsmittel. Eine Regelung, wonach die Kostenerstattung gegen Vorlage eines entwerteten Fahrscheines erfolgt, ist zur Vermeidung von Missbrauch zulässig.

 

Orientierungssatz

Die in § 1684 Abs 1 BGB geregelte Pflicht zur Sorge der Eltern für ihr Kind wird nicht durch die in §§ 3,4 AsylbLG genannten Leistungen gedeckt.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 11. November 2005 wird abgeändert.

Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer ab Januar 2006 bis zur Entscheidung über dessen Antrag auf ständige Wohnsitznahme in Dessau gegen Vorlage eines entsprechenden entwerteten Fahrausweises der Deutschen Bundesbahn einmal pro Monat 26,- € zu erstatten.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Beschwerdegegner hat dem Beschwerdeführer die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes noch über die Kostenübernahme für eine Bahnfahrt von Gardelegen nach Dessau und zurück einmal pro Monat.

Der am 1975 geborene Beschwerdeführer stammt aus G.-B.. Er beantragte am 03. Februar 2003 die Gewährung von Asyl nach dem Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). Für die Dauer des Verfahrens wurde ihm G. als Wohnort zugewiesen. Der Beschwerdeführer hatte ab März 2003 Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von insgesamt 432,51 € erhalten. Nach Abzug der Mietkosten wurden ihm 194,29 € ausgezahlt. Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg vom 26. Januar 2004, das am 16. März 2004 in Rechtskraft erwachsen ist, abgelehnt.

Der Aufforderung des Beschwerdegegners vom 08. April 2004, auszureisen bzw. sich Ausweispapiere zu beschaffen, kam der Beschwerdeführer nicht nach. Deshalb gewährte der Beschwerdegegner mit Bescheid vom 14. Mai 2004 ab Juni 2004 nur noch Leistungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 360,93 €. Davon wurden dem Beschwerdeführer 122,71 € ausgezahlt.

Mit Fax vom 01. Oktober 2005 legte der Beschwerdeführer “Widerspruch„ gegen die gekürzte Leistungserbringung für die Zeit ab dem 01. Juli 2005 ein. Er machte geltend, dass unabhängig von der möglicherweise von ihm zu vertretenden Passlosigkeit nunmehr ein rechtliches Abschiebehindernis vorliege. Er sei Vater eines am 06. Juli 2005 geborenen Kindes. Dessen Mutter sei eine polnische Staatsangehörige, die derzeit in Scheidung von ihrem deutschen Ehemann lebe. Der Beschwerdeführer halte sich viel bei seinem Kind und dessen Mutter in D. auf und nehme die Betreuung wahr. Er fügte eine Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft und eine Zustimmungserklärung des deutschen Ehemannes vom 12. April 2005 bei. Am 5. Oktober 2005 wurde ausweislich der Verwaltungsakte ein Ausreisehindernis aktenkundig gemacht. Nach einem handschriftlichen Vermerk vom 11. Oktober 2005 sei ab dem 01. Oktober 2005 wieder “volle Leistung„ zu erbringen.

Der Beschwerdeführer hat am 23. Oktober 2005 beim Sozialgericht Stendal im Wege einer einstweiligen Anordnung die Zahlung von vorläufigen Leistungen nach § 3 AsylbLG sowie - erstmals - die Kostenübernahme für eine Bahnfahrt im Monat von G. nach D. und zurück beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, zur Wahrnehmung seines Umgangsrechtes müsse er oft nach D. fahren. Die Mutter seines Kindes beziehe selbst Arbeitslosengeld II und habe insgesamt drei Kinder. Diese hat am 22. Oktober 2005 schriftlich bestätigt, der Beschwerdeführer übernehme die Betreuung des Kindes und es bestehe eine echte Vater-Tochter-Beziehung. Ferner hat der Beschwerdeführer eine Fahrplanauskunft der Deutschen Bundesbahn beigefügt. Danach betrügen die Fahrtkosten für eine Hin- und Rückfahrt von D. Hauptbahnhof nach G. je nach Zugverbindung 50,00 bis 53,70 €.

Der Beschwerdegegner hat mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 die Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab dem 01. Oktober 2005 anerkannt. Die Übernahme e...

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