Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Übergangsregelung. Höhe der Regelleistung. Anpassung. Verfassungsmäßigkeit. Erklärung nach § 428 Abs 1 SGB 3

 

Orientierungssatz

1. Es ist nicht verfassungswidrig, dass der Gesetzgeber die Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe nach dem SGB 3 in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung ohne Übergangsregelungen in Ansprüche nach dem SGB 2 überführt hat.

2. Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 GG oder eine Verletzung des rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass der Arbeitslose die Vergünstigung des § 428 SGB 3 in der früheren Fassung angenommen hat ("so genannte 58er Regelung").

3. Die gesetzlich festgeschriebene Regelleistung (§ 20 Abs 2 SGB 2) und die hiermit verbundene Einschränkung des Leistungsumfangs für ehemalige Bezieher von Arbeitslosenhilfe, die das ArbMDienstLG 4 vorgenommen hat, unterschreitet das verfassungsrechtlich vorgegebene Mindestleistungsniveau nicht.

4. Art 2 Abs 2 S 1 GG begründet keinen Anspruch auf eine bestimmte Versorgung durch den Staat, die über das allgemeine Maß öffentlicher Fürsorge hinausgeht. Im Übrigen tragen §§ 21 Abs 1-5, 22 Abs 5 und 23 Abs 1 SGB 2 diesem Grundrecht bereits hinreichend Rechnung.

5. Es ist nicht zu beanstanden, dass noch keine Regelleistungserhöhung gemäß § 20 Abs 4 S 1 SGB 2 stattgefunden hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.03.2007; Aktenzeichen B 7b AS 4/06 R)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Berufung höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der ... 1947 geborene, verheiratete Kläger bezog, nachdem er arbeitslos geworden war, zunächst Arbeitslosengeld und sodann Arbeitslosenhilfe bis zum 31.12.2004 in Höhe von zuletzt 286,02 € wöchentlich. Am 18.11.2004 beantragte er die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II -). Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 25.11.2004 sowie Änderungsbescheiden vom 18.01.2005 und 26.01.2005 für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 monatlich Leistungen in Höhe von 503,06 €. Dieser Bedarf setzt sich aus den Regelleistungen für den Kläger und seine Ehefrau in Höhe von je 311,00 € sowie Unterkunftskosten in Höhe von je 115,07 € abzüglich des anzurechnenden Erwerbseinkommens der Ehefrau (349,08 €) zusammen.

Den gegen diese Bescheide eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen wie folgt: Der Bewilligungsbescheid beruhe auf dem SGB II, das in wesentlichen Teilen verfassungswidrig sei. Das Gesetz verstoße gegen Art 2, 12 Abs 2 und 3, 19 Abs 4, 20 und 80 Abs 1 Grundgesetz (GG) sowie gegen Art 8 Abs 3 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und das ILO-Übereinkommen Nr 29 zu Nr 105 über die Abschaffung von Zwangsarbeit vom 05.06.1957. Den nach seiner Ansicht gegebenen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie begründete er damit, dass er für 513 Monate Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet und dadurch eine nach Art 14 GG geschützte Vermögensposition erworben habe. Dies ergebe sich auf Grund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Durch die Regelleistungen nach dem SGB II werde das Existenzminimum unterschritten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2005 zurück.

Das Sozialgericht Koblenz hat die Klage durch Urteil vom 12.07.2005 abgewiesen. Es hat ausgeführt: Der angefochtene Bewilligungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides sei rechtmäßig. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts seien nach dem SGB II zutreffend festgesetzt. Einwendungen gegen die Berechnungen im Einzelnen habe der Kläger nicht vorgebracht, und diese seien auch nicht ersichtlich. Ein Anspruch auf Weitergewährung der Arbeitslosenhilfe bestehe nicht, da das 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, geändert durch Gesetz vom 30.07.2004, die Vorschriften über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe zum 01.01.2005 aufgehoben habe. Die zu gewährenden staatlichen Leistungen bestimmten sich nunmehr nach dem SGB II. Dieses sei auch nicht verfassungswidrig. Im Rahmen einer unechten Rückwirkung habe der Gesetzgeber die Leistungsgewährung ab dem 01.01.2005 neu bestimmen können. Demgegenüber könne sich der Kläger weder auf Vertrauensschutz noch auf Eigentum berufen. Auch unter Berücksichtigung der so genannten "58er Regelung" sei hier nicht anders zu entscheiden. Diese werde grundsätzlich von § 65 Abs 4 SGB II fortgeführt. Selbst eine schriftliche Zusicherung, der Kläger werde die Arbeitslosenhilfe bis zum Rentenbeginn weiter erhalten, habe gemäß § 34 Abs 3 SGB X unter dem Vorbehalt einer späteren Gesetzesänderung gestanden. Auch nach Art 1 Abs 1, 20 Abs 1 und 28 Abs 1 S 1 GG seien die Leistungen nach dem SGB II nicht zu beanstanden, da die Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins sichergestellt würden. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politi...

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