Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen RF. Ermäßigung des Rundfunkbeitrags. Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen. Platzangst. Angst vor Menschenansammlungen. Möglichkeit zum Besuch von kleinen Veranstaltungen

 

Orientierungssatz

Dem Kläger ist nicht grundsätzlich die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen jeglicher Art verschlossen (§ 4 Abs 2 S 1 Nr 3 RdFunkBeitrStVtr RP), wenn er Veranstaltungen besuchen kann, bei denen sich eine geringere Zahl von Menschen aufhält (hier: Fußballspiele mit 10 bis 15 Zuschauern).

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 03.01.2011 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig sind die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) nach dem Schwerbehindertenrecht.

Der Beklagte hatte bei dem 1962 geborenen Kläger mit Bescheid vom 13.07.2009 einen Grad der Behinderung (GdB) von 90 für folgende Behinderungen mit jeweils angegebenen Einzel-GdB festgestellt:

1. Neubildung des Gehirns, Epilepsie (80),

2. Impingementsyndrom der rechten Schulter (20),

3. Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Bandscheibenschäden (20).

Gesundheitliche Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen lägen nicht vor.

Im August 2009 stellte der Kläger den Antrag auf Feststellung des Nachteilsausgleichs "RF". Er machte insbesondere geltend, bei lauter Musik und Veranstaltungen sowie unter vielen Menschen an Ängsten zu leiden. Er legte ein Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin D , I , vom 18.12.2009 vor, der eine phobische Unmöglichkeit, sich in größeren Menschenansammlungen (mehr als zwei bis drei) aufzuhalten, attestierte. Der Beklagte zog ärztliche Unterlagen bei, u.a. einen Arztbrief der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin M vom 21.10.2009. Darin heißt es, der Kläger leide (u.a.) an intermittierend auftretende Panikattacken in vollen Räumen. Im ärztlichen Entlassungsbericht der Kliniken S , G , vom 01.12.2009 über eine im November 2009 durchgeführte stationäre Behandlung wird zum bisherigen Krankheitsverlauf angegeben, der Kläger leide seit ca. 2 1/2 Jahren an rezidivierenden Episoden mit seltsamen Gefühlen in der Magengegend und seltsamen Geschmacksgefühl sowie veränderter Wahrnehmung der Umgebung (die heller als sonst erscheine, wobei er sich nicht so schnell wie sonst bewegen könne). Im August 2008 sei ein Astrozytom WHO Grad II in den Stammganglien rechts diagnostiziert worden. Die Anfallssymptomatik sei als symptomatisches komplexfokales Anfallsleiden mit epigastrischen Auren bewertet worden. Im Verlauf der Erkrankung habe der Kläger intermittierende Panikattacken mit Agoraphobie (Menschenmengen) sowie Cephalgien und neurokognitive Defizite entwickelt. Zu den aktuellen Beschwerden wird ausgeführt, der Kläger beschreibe verstärkt in Stresssituationen auftretende anfallsartige Magenbeschwerden und veränderte Wahrnehmung der Umgebung. Darüber hinaus leide er unter depressiver Stimmungslage, Ängsten in Bezug auf den weiteren Verlauf seiner Erkrankung, Konzentrationsstörungen, Freudlosigkeit und Schlafstörungen; weiterhin bestünden Kopfschmerzen und Schmerzen im Nacken- und Lendenwirbelsäulen-Bereich. Der Kläger sei seit März 2009 berentet. Die Alltagskompetenz sei gegeben.

Der Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 23.02.2010 ab, eine Änderung des bisherigen Feststellungsbescheides vorzunehmen. Der GdB sei weiterhin mit 90 zu bemessen. Die Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" lägen nicht vor.

Der dagegen erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 05.05.2010 zurückgewiesen.

Am 17.05.2010 hat der Kläger dagegen Klage beim Sozialgericht mit dem Ziel erhoben, das Merkzeichen "RF" feststellen. Das Sozialgericht hat einen

Befundbericht des Dr. D vom 20.08.2010 eingeholt. Dieser hat als

Beschwerden des Klägers neben Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates Kopfschmerzen, Schwindel, Platzangst sowie Oberbauchbrennen angeführt. Die Platzangst bestehe seit einem Polytrauma vom 18.04.2010 wieder wie bereits vor Jahren. Der Kläger führe dies auf die Tatsache zurück, dass sein Motorradhelm bei dem erlittenen Unfall nicht habe sofort geöffnet werden können.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. D , M vom 29.10.2010 eingeholt. Zu den vom Kläger vorgetragenen Beschwerden heißt es darin, dieser leide auf Grund des 2008 anerkannten, nicht operablen gutartigen Hirntumors unter Schlafstörungen, Kopfschmerzen sowie Problemen mit Sensibilitätsstörungen am linken Bein. Im April 2010 habe er einen Unfall mit Polytrauma (diversen Frakturen) erlitten. Er leide unter Platzangst bzw. unter Angst in geschlossenen Räumen. Zudem bestehe eine medikamentös behandelte Epilepsie. Dr. D hat folgende Diagnosen gestellt: Neubildung des Gehirns, Epilepsie, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bewegungseinschränkung im linken Schulter- und Ellenbogengelenk nach Unfallver...

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