Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7. Hilfeleistung bei gemeiner Gefahr. Hilfeabsicht. Nachweis. objektive Anhaltspunkte. Entfernen eines Kurbelstützrads und einer Stützradführungshülle von der Fahrbahnfläche einer Autobahn. mehrmaliges Betreten der Fahrbahnfläche. Fortsetzung der begonnenen Hilfemaßnahme

 

Orientierungssatz

Ein Autofahrer steht während der Beseitigung einer gemeinen Gefahr im Straßenverkehr auch beim mehrmaligem Betreten der Fahrbahnfläche im Sinne einer fortgesetzten Hilfemaßnahme gem § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (hier: Bergen eines Kurbelstützrades und Bergen einer neben der Mittelleitplanke befindlichen, aber bis an den Rand der Überholspur hineinragenden 30 cm langen Stützradführungshülle aus Metall).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.03.2012; Aktenzeichen B 2 U 7/11 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 29.04.2010 sowie der Bescheid vom 21.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2008 aufgehoben und festgestellt, dass der vom Kläger erlittene Unfall vom 28.09.2006 einen Versicherungsfall gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII darstellt.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3.Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Arbeitsunfalles nach dem Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VII).

Der im Jahr 1961 geborene Kläger erlitt am 28.09.2006 auf der Autobahn A 6 in Fahrtrichtung M. (Km.) einen Verkehrsunfall, nachdem er seinen PKW angehalten hatte, um ein Kurbelstützrad sowie eine Stützradführungshülle von der Fahrbahn zu entfernen, die ein vorausfahrender LKW verloren hatte. Gegen 14.32 Uhr wurde er von einem VW-Bus auf der Fahrbahn erfasst, den der Zeuge H. P. steuerte. Der Kläger erlitt bei dem Unfall ein Polytrauma mit Schädelhirntrauma und diffusen Hirnkontusionen, weitere zahlreichen Frakturen und Verletzungen, infolge dessen er u.a. einen Gedächtnisverlust erlitten hat.

Bei der Verkehrsunfallanzeige durch das Polizeipräsidium (PP), PAST W., wurde festgestellt, dass der Kläger offensichtlich ein Stützradteil von der Fahrbahn geräumt und vor seinem Fahrzeug am äußersten Fahrbahnrand abgelegt hatte. Ein weiteres Teil (Hülse) lag zirka 9 Meter von dem PKW des Klägers entfernt, der Kläger selbst wurde durch den Aufprall zirka 33 bis 38 Meter durch die Luft an den Rand des linken Fahrbahnstreifens geschleudert.

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens des PP wurden verschiedene Zeugen sowie der Fahrer des VW-Bus, Herr P., als Beschuldigter gehört.

Der Zeuge J. P. H. sagte aus, er habe zum Unfallzeitpunkt im VW-Bus des Herrn P. gesessen und sei durch ein abruptes Abbremsen auf das Unfallgeschehen aufmerksam geworden. In diesem Augenblick habe er den auf dem rechten Standstreifen stehenden PKW und vor diesem PKW eine männliche Person bemerkt, die gerade im Begriff gewesen sei, auf die rechte Fahrbahn zu laufen. Die Person habe sich schnellen Schrittes auf die Fahrbahn bewegt und sei in gerader Richtung in Richtung Mittelleitplanke gelaufen. In der Mitte der rechten Fahrspur habe die Person kurz angehalten, und sei dann auf die linke Fahrspur gelaufen. Er habe nicht bemerkt, dass die Person einen Gegenstand in der Hand gehabt habe. Er habe auch keinen Gegenstand auf der Fahrbahn wahrgenommen. In diesem Augenblick habe Herr P. das Fahrzeug auf die linke Fahrspur gezogen und den PKW voll abgebremst, den Unfall aber nicht mehr verhindern können. Nach dem Unfall habe er gegenüber dem PKW, der auf dem Standstreifen gestanden habe, in der Nähe der Mittelleitplanke ein Alurohr festgestellt, von dem er vermute, dass es sich um ein Teil eines Stützrades gehandelt habe.

Der Zeuge H. K. O. hat angegeben, er sei in einem anderen VW-Bus hinter dem von Herrn P. gesteuerten VW-Bus mitgefahren. Er habe aus einer Entfernung von zirka 200 Metern den auf der Standspur stehenden PKW bemerkt, nicht aber einen Fußgänger. Plötzlich habe er eine Person gesehen, die sich zuvor offensichtlich vor dem auf dem Standstreifen stehenden PKW befunden habe und plötzlich auf die rechte Fahrspur gelaufen sei. Die Person habe sich zirka einen halben Meter vor der Mittellinie gebückt und etwas aufgehoben. Während des Bückens habe er den Eindruck gehabt, dass die Person plötzlich den VW-Bus des Herrn P. bemerkt habe. Dann sei der Fußgänger auf die linke Fahrspur weitergelaufen, wo sich zu diesem Zeitpunkt bereits Herr P. befunden habe. Kurz darauf sei der Fußgänger mittig von dem VW-Bus erfasst und zu Boden geworfen worden. Als er den Fußgänger bemerkt habe, habe dieser weder einen Gegenstand in der Hand gehabt, noch habe er selbst einen Gegenstand auf der Fahrbahn bemerkt.

Der Zeuge J. W. hat angegeben, er sei als Beifahrer in dem VW-Bus des Herrn P. mitgefahren. Aus einer Entfernung von zirka 100 Metern habe ...

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