Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als Leistungen zur Teilhabe. Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers. Adaptionsmaßnahme als medizinisch erforderliche Rehabilitationsleistung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs 4 S 1 SGB 9 ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Sozialhilfeträger bereits vor Bewilligung der Leistung von der Zuständigkeit der Krankenkasse ausgegangen ist.

2. Bei einer Adaptionsmaßnahme im Anschluss an eine stationäre Entwöhnungsbehandlung handelt es sich um eine aus medizinischen Gründen erforderliche Rehabilitationsmaßnahme iS der krankenversicherungsrechtlichen Bestimmungen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.06.2007; Aktenzeichen B 1 KR 36/06 R)

 

Tenor

1.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 14.10.2005 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.624,88 € zu zahlen.

2.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

3.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der klagende Landkreis begehrt als örtlicher Sozialhilfeträger von der beklagten Krankenkasse die Erstattung von 8.624,88 € für eine Adaptionsmaßnahme, die einer Versicherten der Beklagten vom überörtlichen Sozialhilfeträger gewährt wurde.

Die 1981 geborene, bei der Beklagten im Rahmen der Familienversicherung krankenversicherte G (Versicherte) hatte vom 27.2.2003 bis 26.8.2003 eine stationäre Entwöhnungsbehandlung nach § 40 SGB V in der Fachklinik A in S durchgeführt, deren Kosten die Beklagte getragen hatte, nachdem die Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz entsprechende Leistungen mangels Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt hatte. Mit Schreiben vom 2.7.2003 beantragten die behandelnden Klinikärzte bei der Beklagten, der Versicherten im Anschluss an die Entwöhnungsbehandlung eine Adaptionsmaßnahme von 16 Wochen im Therapiezentrum S zu gewähren zur Stabilisierung der Abstinenzfähigkeit sowie der sozialen und beruflichen Orientierung unter ärztlich-psychiatrischer und psychotherapeutischer Überwachung und Begleitung. Erst nach erfolgreichem Abschluss einer entsprechenden Adaptionsphase sei davon auszugehen, dass die Versicherte wieder vollschichtig leistungsfähig und voll beruflich einsetzbar sein werde. Die Beklagte leitete den Antrag unter Hinweis auf dessen Zuständigkeit im Rahmen der Sozial- und Jugendhilfe an den Kläger weiter (Schreiben vom 9.7.2003). Mit an die Versicherte gerichtetem Bescheid vom 25.8.2003 bewilligte das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung der Versicherten die beantragte Adaptionsmaßnahme und wies hierbei darauf hin, das Landesamt handle als "zweitangegangener" Rehabilitationsträger im Sinne des § 14 SGB IX; die Adaptionsbehandlung werde als "Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 Abs. 2 und 3 SGB IX in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Nr. 1 BSHG mit einem Barbetrag nach § 21 Abs. 3 Satz 1 BSHG in Höhe von 88,80 € für die Dauer von drei Monaten gewährt; da die sog. Adaption Bestandteil der medizinischen Rehabilitation sei, erachte es die Beklagte für leistungspflichtig; da diese die Kostenübernahme abgelehnt habe, werde ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte geltend gemacht. Nach Abschluss der vom 26.8. bis 21.11.2003 dauernden Maßnahme verlangte der Kläger von der Beklagten erfolglos die Erstattung der hierfür aufgewandten Kosten in Höhe von insgesamt 8.624,88 €.

Die am 9.9.2004 erhobene, auf Erstattung der Kosten der Adaptionsmaßnahme in Höhe von 8.624,88 € gerichtete Klage hat das Sozialgericht Mainz mit Urteil vom 14.10.2005 abgewiesen mit der Begründung, sämtliche denkbaren Erstattungsansprüche des Klägers scheiterten bereits daran, dass zwischen der Beklagten und dem Therapiezentrum S kein Versorgungsvertrag gemäß § 111 SGB V bestanden habe und die Beklagte deshalb dort keine Rehabilitationsleistungen habe erbringen dürfen.

Gegen das ihm mit Schreiben vom 6.2.2006 übersandte Urteil hat der Kläger am 1.3.2006 Berufung eingelegt. Er trägt vor, da das Landesamt als zweitangegangener Rehabilitationsträger über die Leistungsgewährung entschieden habe, ergebe sich der Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten aus § 14 Abs. 4 SGB IX. Der Erstattungsanspruch bestehe nicht nur dann, wenn erst nach Bewilligung der Leistung die Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträgers festgestellt werde, sondern auch und gerade dann, wenn die Zuständigkeit von vornherein streitig sei. Das ergebe sich aus dem in der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 14/5074 S. 95) zum Ausdruck kommenden Gesetzeszweck, der auf eine beschleunigte Leistungserbringung gerichtet sei; dieser Zweck würde nicht erreicht, wenn zunächst Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Leistungsträgern zu klären wären. Die Frage der Rechtsgrundlage sei auch deshalb von Bedeutung, weil § 14 Abs. 4 SGB IX einen weitergehenden Erstattungsanspruch begründe als § 104 Abs. 3 SGB X. Nach § 14 Abs. 4 SGB IX richte sich der Erstattungsanspruch nach den für den Leist...

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