Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Berechnung des Zuschusses zu den ungedeckten angemessenen Unterkunftskosten von aus dem Leistungssystem ausgeschlossenen Auszubildenden. Hilfebedürftigkeitsprüfung bzw Einkommensberücksichtigung nach SGB 2. Kindergeld

 

Orientierungssatz

1. Bei der Bedarfsermittlung für den Zuschuss zu den ungedeckten Unterkunftskosten gem § 22 Abs 7 SGB 2 eines aus dem Leistungssystem des SGB 2 ausgeschlossenen Auszubildenden, sind von den als angemessen zu betrachtenden Unterkunftskosten die, wie hier bei Berufsausbildungsbeihilfebezug nach § 65 Abs 1 S 2 SGB 3 iVm § 13 Abs 2 Nr 2, Abs 3 BAföG gewährten Beträge für die Unterkunft abzusetzen.

2. § 22 Abs 7 S 1 SGB 2 setzt eine vollständige Hilfebedürftigkeitsprüfung nach §§ 9, 11 SGB 2 voraus, bei der das an den nicht im Elternhaushalt wohnenden, volljährigen Auszubildenden weitergeleitete Kindergeld (§ 1 Abs 1 Nr 8 AlgIIV) als dessen Einkommen zu berücksichtigen ist.

3. Die Vorschrift des § 19 S 2 SGB 2, nach der der Unterkunftskostenzuschuss gem § 22 Abs 7 SGB 2 nicht als Arbeitslosengeld II gilt, hat lediglich zur Folge, dass keine Sozialversicherungspflicht eintritt. Sie ändert nicht die Einordnung des Zuschusses als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.12.2010; Aktenzeichen B 14 AS 23/09 R)

 

Tenor

1.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 21.05.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

3.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf einen Zuschuss zu den Unterkunftskosten für Auszubildende nach § 22 Abs. 7 Zweites Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere, ob bei dem Anspruch Einkommen nach den Vorschriften des SGB II zu berücksichtigen ist.

Die 1985 geborene vermögenslose ledige Klägerin absolviert seit dem 01.08.2006 eine Berufsausbildung zur Buchhändlerin bei der T-Universitätsbuchhandlung in K. Sie bezieht ausweislich einer Bestätigung der Ausbildungsstätte eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 606,00 € monatlich im ersten Ausbildungsjahr, 668,00 € monatlich im zweiten Ausbildungsjahr und 768,00 € im dritten Ausbildungsjahr. Da sie von ihrem bisherigen Wohnort L den Ausbildungsplatz nicht zumutbar erreichen kann (Fahrtzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen 2,5 und 3,5 Stunden pro Strecke), mietete sie ab 15.07.2006 einen 26 m² großen Wohnraum mit Gemeinschaftsküche und -bad zu einer Gesamtmiete einschließlich aller Nebenkosten in Höhe von 330,00 € monatlich in K an. Von der Agentur für Arbeit Gießen wurde der Klägerin mit Bescheid vom 31.08.2006 für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.01.2008 Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) in Höhe von monatlich 42,00 € nach dem Dritten Sozialgesetzbuch (SGB III) bewilligt, ausgehend von einem Gesamtbedarf in Höhe von monatlich 552,00 € und einem anzurechnenden Einkommen in Höhe von monatlich 510,32 €. Beim festgestellten Bedarf wurden Unterkunftskosten gemäß § 65 Abs.1 SGB III i.V.m. § 13 Abs.2 Nr. 2 und Abs. 3 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) - jeweils in der bis zum 31.07.2008 geltenden Fassung - in Höhe von monatlich 197,00 € berücksichtigt. Beim anzurechnenden Einkommen blieb das der Klägerin zufließende Kindergeld in Höhe von 154,00 € monatlich unberücksichtigt. Ab dem 01.02.2008 wurde ein Anspruch auf BAB hingegen abgelehnt (von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegter Bescheid der Agentur für Arbeit Gießen vom 26.03.2008).

Im Dezember 2006 beantragte die Klägerin einen Zuschuss zu den ungedeckten Unterkunftskosten bei der Beklagten. Diese lehnte mit Bescheid vom 01.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2007 eine Leistungsgewährung ab. Zwar werde der in § 7 Abs. 5 SGB II ausgesprochene Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Auszubildende, die Berufsausbildungsbeihilfe erhalten, in § 22 Abs. 7 SGB II hinsichtlich der ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II durchbrochen. Der Wohnkostenzuschuss werde jedoch u.a. nur gewährt, wenn die Kosten der Unterkunft angemessen sind. Für die Klägerin beliefen sich die angemessenen Kosten für die Grundmiete auf 222,30 €, für die Nebenkosten auf 53,38 € sowie die Heizkosten auf 17,06 €, insgesamt mithin auf 292,74 €; die tatsächlich zu tragenden Kosten in Höhe von 330,00 € monatlich seien mithin unangemessen. Zudem seien in die Berechnung der BAB insgesamt Unterkunftskosten in Höhe von 197,00 € eingeflossen, so dass lediglich ungedeckte angemessene Unterkunftskosten in Höhe von 95,74 € verblieben. Dieser Betrag könne von der Klägerin von dem ihr zufließenden Kindergeld in Höhe von 154,00 € ohne Weiteres gedeckt werden.

Hiergegen hat die Klägerin am 30.08.2007 Klage zum Sozialgericht Koblenz (SG) erhoben. Sie hat sich ausdrücklich nur gegen die Höhe des anzurechnenden Einkommens gewandt, die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid festgestellte Hö...

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