Orientierungssatz

1. Parallelentscheidung zu dem Beschluß des LSG Essen vom 16.12.1996 - L 13 Kg 105/94, der vollständig dokumentiert ist.

2. Az des BVerfG: 1 BvL 6/97

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 06.07.2004; Aktenzeichen 1 BvL 6/97)

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt Kindergeld für fünf Kinder über den 31.12.1993 hinaus.

Er ist 1953 geboren und polnischer Staatsangehöriger. Im November 1986 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, der am 20.12.1988 bestandskräftig abgelehnt worden ist. 1988 zogen seine 1957 geborene Ehefrau und die drei 1970, 1980 und 1985 geborenen Kinder M, M und K zu ihm. M und M wurden 1990 und 1993 in D geboren. Während des Asylverfahrens wurde der Aufenthalt des Klägers gestattet. Anschließend besaß er zeitlich verlängerte Bescheinigungen über die Aussetzung der Abschiebung (Duldungen). Mit der Aufnahme einer Beschäftigung (August 1989) erhielt er eine Arbeitserlaubnis. Eine Aufenthaltserlaubnis wurde ihm mit Bescheid vom 26.01.1990 verweigert. Auf Grund des Erlasses des Innenministers Nordrhein-Westfalen vom 11.07.1991 - 91 I B 5/44.41 - besitzt er seit dem 26.07.1991 eine - derzeit bis zum 21.10.1998 verlängerte - Aufenthaltsbefugnis.

Der Kläger stand nach dem Bezug von Arbeitslosengeld ab 10.03.1993 wieder in einem Beschäftigungsverhältnis. Im Januar 1994 verdiente er DM 3.296,26, im Februar 1994 DM 2.848,87, im März 1994 DM 4.051,04, im April DM 4.593,93, im Mai 1994 DM 6.194,94 und im Juni 1994 DM 1.444,50 monatlich netto. Ab 15.06.1994 bezog er Krankengeld, vom 21. bis 31.12.1994 Arbeitslosengeld, dann wieder Krankengeld, vom 07.11.1995 bis 17.09.1996 erneut Krankengeld und seit dem 18.09.1996 Arbeitslosenhilfe. Daneben erhielt er ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG): Im November 1994 DM 872,72, im Dezember 1994 DM 540,72, im Januar und Februar 1995 jeweils DM 1.497,64, im Juli 1995 DM 1.528,60 und in den Monaten August bis Dezember 1995 jeweils DM 1.673,60. Der am 16.02.1995 für 1994 erteilte Bescheid über Einkommenssteuer weist unter Berücksichtigung von fünf Kinderfreibeträgen ein zu versteuerndes Einkommen von negativ DM 3.248, - aus, so daß Steuern nicht zu entrichten waren.

Für seine Kinder bezog der Kläger laufend Kindergeld. Mit undatiertem Bescheid von Januar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.1994 hob die Beklagte die Kindergeldbewilligung wegen fehlender Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung mit Wirkung ab 1994 auf: Nach § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung begründe eine Aufenthaltsbefugnis keinen Anspruch auf Kindergeld mehr. Wegen dieser rechtlichen Änderung sei die bisherige Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) aufzuheben.

Mit der am 23.06.1994 zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung dieser beiden Bescheide begehrt und sich auf einen Verstoß von § 1 Abs. 3 BKGG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung gegen Art. 3 und 6 Grundgesetz (GG) berufen.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 19.04.1995 abgewiesen und die Neufassung von § 1 Abs. 3 BKGG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Bundeserziehungsgeldgesetz für verfassungsmäßig gehalten.

Gegen das ihm am 29.05.1995 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.06.1995 Berufung eingelegt.

Er beantragt schriftsätzlich die Änderung des Urteils vom 19.04.1995 und die Aufhebung des Bescheides von Januar 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.1994.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Kindergeldakten der Beklagten und den übrigen Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die in dem Rechtsstreit L 13 Kg 105/94 vom Senat beigezogenen Auskünfte und Stellungnahmen (Der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Ausländer vom 01.12.1995, des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 08.12.1995 und 21.12.1995 und des Bundesministeriums des Innern vom 31.01.1996) sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Im wesentlichen haben die vom Senat Befragten folgende Stellungnahmen abgegeben:

1. Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Ausländer:

Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung bilde Art. 3 Abs. 1 GG, da die Staatsangehörigkeit nicht zu den absolut verbotenen Differenzierungskriterien des Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz - GG - gehöre. Deswegen sei eine Differenzierung nach Staatsangehörigkeit nicht aber auch von vornherein erlaubt. Das Sozialstaatsgebot gelte für die gesamte Wohnbevölkerung. Aus der Verfassung folge keine Rechtfertigung für eine Diskriminierung, da Art. 6 GG Menschenrecht sei. Fiskalische Erwägungen seien nicht geeignet, den Gleichheitsgrundsatz auszuhebeln. Eine Abschreckung von zuwanderungswill...

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