Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlagebeschluß. Entziehung des Kindergeldanspruches für Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Ist § 1 Abs 3 S 1 BKGG idF des Art 5 Nr 1 SKWPG 1 vom 21.12.1993 (BGBl I 2353) mit dem GG vereinbar?

 

Orientierungssatz

Az des BVerfG: 1 BvL 4/97

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 06.07.2004; Aktenzeichen 1 BvL 4/97)

 

Tatbestand

I. Der Kläger begehrt Kindergeld für seine in den Jahren 1987 bis 1992 geborenen fünf Kinder über den 31.12.1993 hinaus.

Er ist libanesischer Staatsbürger und mit seiner Familie seit Mai 1986 in der Bundesrepublik. Sein Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wurde - seit 12.03.1988 bindend - abgelehnt. Die Ausländerbehörde sah von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen aufgrund des Erlasses des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen - IM NW - vom 15.11.1983 ab; der Aufenthalt der Familie wurde jeweils befristet geduldet. Seit dem 27.02.1991 ist der Kläger im Besitz einer jeweils befristet verlängerten Aufenthaltsbefugnis gem. § 30 des seit dem 01.01.1991 geltenden Gesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet vom 09.07.1990 (BGBl. I, 1354) - AuslG 1990 -. Die Verlängerungen erfolgten nach den Bestimmungen des Erlasses des IM NW vom 25.06.1991. Dieser Erlaß regelt u.a. für Personen aus dem Libanon, die bis zum 31.12.1988 in die Bundesrepublik eingereist sind (Ziff. 2.4), daß Aufenthaltsbefugnisse ohne die Prüfung der Voraussetzungen der §§ 30, 31 Abs. 1 AuslG zu erteilen sind (Ziff. 3.1) und § 3 Abs. 2 AuslG keine Anwendung findet (Ziff. 3.2 Satz 2). Nach Ziff. 5 spielt der Bezug von Sozialhilfe als Ausweisungstatbestand und Grund, die Befugnis zu verweigern, keine Rolle. Durch Schreiben vom 04.03.1994 hat die Ausländerbehörde dem Kläger mitgeteilt, daß von der Aufenthaltsdauer des § 35 AuslG derzeit 5 Jahre und 10 Monate erfüllt seien.

Ab September 1987 hatte der Kläger für sich und seine Familie laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz - BSHG - bezogen. Ab dem 25.10.1990 bis zum 31.07.1994 war er erlaubt abhängig erwerbstätig; seit dem 07.09.1992 ist er im Besitz einer besonderen Arbeitserlaubnis. Ab März 1994 war er arbeitsunfähig erkrankt und bezog vom 28.04.1994 bis zum 03.06.1994 Krankengeld. Zum 01.08.1994 wurde er arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld - Alg - in Höhe von 362,40 DM, seit dem 02.01.1995 in Höhe von 359,40 DM wöchentlich. Der Arbeitgeber zahlte aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs im September 1994 eine Abfindung in Höhe von 9.993,75 DM. Ab Oktober 1994 gewährte das Sozialamt ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von monatlich 1.371,92 DM zuzüglich eines pauschalierten Wohngeldes in Höhe von 378,- DM. Nach dem Bescheid über Einkommenssteuer 1994 hat der Kläger 1994 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von insgesamt 26.914,- DM bezogen. U.a. unter Berücksichtigung von fünf Kinderfreibeträgen in Höhe von insgesamt 20.520,- DM betrug das zu versteuernde Einkommen -8.727,- DM. Im Jahre 1995 war der Kläger ab dem 02.05. wieder abhängig beschäftigt; zum 01.06.1995 stellte das Sozialamt die Leistungen ein. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf der Probezeit am 30.06.1995. Anschließend bezog der Kläger Alg in Höhe von 1.557,40 DM monatlich, sodann Arbeitslosenhilfe; außerdem wurde ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 1.841,91 DM vom Sozialamt gezahlt. Nach dem Bescheid für 1995 über Einkommensteuer war der Gesamtbetrag der Einkünfte 12.996,- DM; nach Abzug u.a. von fünf Kinderfreibeträgen wurde das zu versteuernde Einkommen auf -10.674 DM festgesetzt.

Von der Beklagten bezog der Kläger laufend Kindergeld, und zwar zuletzt in Höhe von 900,- DM. Durch Bescheid vom 29.12.1993 hob die Beklagte die Bewilligung wegen der zum 01.01.1994 in Kraft tretenden Fassung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Bundeskindergeldgesetz - BKGG - mit Wirkung zum 01.01.1994 auf, weil der Kläger nicht im Besitz eines der dort genannten Aufenthaltstitel sei. Der Kläger widersprach. Die Regelung führe dazu, daß kinderreiche Ausländer vermehrt auf Sozialhilfe zurückgreifen müßten, deswegen die Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis praktisch unmöglich werde. Das sei ebenso wie ein möglicherweise beabsichtigter Abschreckungszweck der Regelung mit der Zielrichtung des BKGG unvereinbar. Durch Bescheid vom 14.04.1994 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Münster - SG - durch Urteil vom 24.08.1994 abgewiesen. Verfassungsrechtliche Einwände gegen die Neuregelung bestünden nicht, weil das BKGG das Ziel verfolge, nur diejenigen zu unterstützen, die mit ihren Kindern dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland bleiben könnten.

Gegen dieses ihm am 04.10.1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.11.1994 Berufung eingelegt. Er meint, die Bindung an den Aufenthaltsstatus beinhalte überhaupt eine unzulässige Ungleichbehandlung von Ausländern im Hinblick auf den Zweck des BKGG.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

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