Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Vertrauensschutz. sozialversicherungsrechtlicher Status. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer in einer Familiengesellschaft

 

Orientierungssatz

1. Zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung einer Tätigkeit als Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer in einer Familiengesellschaft.

2. Ein begründeter Vertrauenstatbestand, den der Beitragsschuldner einer im Wege einer Betriebsprüfung geltend gemachten Beitragsnachforderung entgegenhalten kann, kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn die vom Gesetzgeber eröffneten Möglichkeiten, eine konkret-individuelle Verwaltungsentscheidung zum sozialversicherungsrechtlichen Status des Auftragnehmers herbeizuführen, nicht in Anspruch genommen werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.09.2019; Aktenzeichen B 12 R 25/18 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.9.2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst zu tragen haben.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 115.325,53 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Betriebsprüfungsbescheides (§ 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) der Beklagten, mit dem diese die Klägerin auf Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung wegen einer Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 2) als Gesellschafter-Geschäftsführer für den Zeitraum vom 1.1.2011 bis zum 31.12.2014 in Anspruch nimmt.

Die Klägerin, eine in L ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), ist mit Gesellschaftsvertrag vom 27.12.2002 ([GesV], UR.-Nr. 000 d. Notars I, L) gegründet und in das Handelsregister des Amtsgerichts (AG) L eingetragen worden (HRB 000). Gegenstand des Unternehmens ist der Verkauf von Neuwagen, der An- und Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen, die Pflege, Wartung und Reparatur von Kraftfahrzeugen sowie der An- und Verkauf von Kfz-Ersatzteilen und Kfz-Zubehör sowie die Autovermietung (§ 2 Abs. 1 GesV). Das Stammkapital der Klägerin von 25.000,00 EUR (§ 4 Abs. 1 GesV) tragen Herr T L, der Bruder der Beigeladenen zu 2), in Höhe von 12.750,00 EUR, die Beigeladene zu 2) in Höhe von 6.500,00 EUR sowie der Beigeladene zu 1), der Ehemann der Beigeladenen zu 2), in Höhe von 5.750,00 EUR (§ 4 Abs. 2 GesV).

Vor der Gründung der Klägerin hatten Frau N L und Herr F L, die Eltern der Beigeladenen zu 2) und des Herrn T L, bis zum 31.12.2002 jeweils ein Einzelunternehmen geführt, welches sie mit Wirkung zum 1.1.2003 an die zuvor gegründete Klägerin veräußerten.

Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin (GesV) enthält auszugsweise folgende Regelungen:

§ 5

Geschäftsführung, Vertretung

Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer.

Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt dieser die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft von zwei Geschäftsführern oder von einem Geschäftsführer in Verbindung mit einem Prokuristen vertreten. Jedem Geschäftsführer oder Liquidator kann Alleinvertretungsbefugnis erteilt werden. Jedem Geschäftsführer oder Liquidator kann Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden.

§ 6

Gesellschafterversammlung, Jahresabschluss, Gewinnverteilung

(1) Einmal im Geschäftsjahr findet regelmäßig am Sitz der Gesellschaft eine ordentliche Versammlung der Gesellschafter statt. In dieser Versammlung haben die Gesellschafter insbesondere abzustimmen über

a) die Feststellung des Jahresabschlusses,

b) die Verteilung des Reingewinns,

c) die eventuelle Wahl eines Abschlussprüfers,

d) das Investitionsbudget für das folgende Geschäftsjahr,

e) die zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäfte und alle sonstigen von den Gesellschaftern oder Geschäftsführern vorgebrachten Tagesordnungspunkte.

(2) Die Einberufung der ordentlichen Gesellschafterversammlung erfolgt durch den oder die Geschäftsführer. In der schriftlichen Einladung ist die Tagesordnung bekanntzugeben. Die Einberufung muss mindestens 10 Tage vor der Versammlung bei den Gesellschaftern eingegangen sein. Hierfür spricht eine nicht widerlegbare Vermutung, wenn die Einladung 12 Tage vor dem anberaumten Versammlungstermin zur Post gegeben wurde.

(3) Die Mehrheit der Gesellschafter (nach Stimmen) kann jederzeit die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung verlangen. § 50 GmbHG bleibt jedoch unberührt.

(4) Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden, soweit nicht durch Satzung oder Gesetz etwas anderes vorgeschrieben ist, mit einfacher Mehrheit der anwesenden oder vertretenen Stimmen gefasst. Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung ist gegeben, wenn 50 % der stimmberechtigten Gesellschafter anwesend oder vertreten sind. Wird diese Beschlussfähigkeit nicht erreicht, kann mit einer Frist von zehn Tagen eine zweite Gesellschafterversammlung mit gleicher Tagesordnung einberufen ...

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