Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Nordrhein-Westfalen. Übertragung der Aufgaben der Versorgungsverwaltung auf die Kreise und kreisfreien Städte. GdB-Festsetzung. Diabetes mellitus Typ 1. Einstellbarkeit

 

Orientierungssatz

1. Die vom Landesgesetzgeber mit Art 1 Abschn 1 §§ 1 und 2 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen (BehStraffG NW 2) vom 30.10.2007 (GV NW 2007, 482) durchgeführte Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung im Aufgabenbereich des Schwerbehindertenrechts (hier: Übertragung auf den Kreis) ist rechtlich nicht zu beanstanden.

2. Zum Begriff der "Einrichtung der Behörden" iS des Art 84 Abs 1 GG.

3. Zur Festsetzung des GdB bei Diabetes mellitus Typ 1 (hier: Beurteilung der Einstellbarkeit).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.04.2009; Aktenzeichen B 9 SB 3/08 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 23.03.2005 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger beansprucht die Feststellung der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch, (SGB IX) ab November 2003. Im Wesentlichen geht es um die Beurteilung der "Einstellbarkeit" des Diabetes mellitus Typ I, an dem der Kläger leidet.

Mit Bescheid vom 08.09.1994 stellte das Versorgungsamt erstmals beim Kläger im Wesentlichen wegen einer insulinpflichtigen Blutzuckerstoffwechselstörung einen Grad der Behinderung - GdB - von 30 fest. Ein Halswirbelsäulensyndrom bewertete es mit einem Einzel-GdB von 10.

Der Kläger stellt am 31.03.2004 einen Änderungsantrag. Er gab an, aufgrund der schwankenden Blutzuckerwerte unter Insulinpumpentherapie sei eine Verschlimmerung eingetreten. Er müsse mehrmals am Tag und in der Nacht Blutzucker messen und sei im täglichen Leben eingeschränkt.

Das Versorgungsamt holte einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr. Q aus C ein (16.04.2004), dem ein Bericht des Internisten Dr. T, C, (15.11.2003) beigefügt war. Trotz intensivierter Insulintherapie bei Diabetes mellitus Typ I träten stark schwankende Blutzuckerwerte auf. Seit November 2003 sei eine deutliche Besserung eingetreten.

Der bisherige Beklagte stellte mit Bescheid vom 17.05.2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 09.09.2004, den GdB mit 40 fest.

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig beim Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben mit dem Ziel, den GdB ab der Versorgung mit der Insulinpumpe im November 2003 mit mindestens 50 festzustellen. Nach den Anhaltspunkten komme es nicht darauf an, ob der Diabetes gut oder schlecht eingestellt sei, sondern darauf, ob er gut oder schlecht einstellbar ist. Der GdB sei deshalb nicht niedriger anzusetzen, weil es gelingt, trotz schwieriger Einstellbarkeit die Einstellung zu meistern. Beim Kläger läge ein schwer einstellbarer Diabetes mellitus vor, der erst unter Verwendung der Insulinpumpe eingestellt sei.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23.03.2005 abgewiesen und die angefochtenen Bescheide des Beklagten bestätigt. Es komme nicht darauf an, ob eine schwere Einstellbarkeit vorliege, sondern ob der Blutzucker gut eingestellt sei. Die schwere Einstellbarkeit sei tatsächlich durch die Insulinpumpentherapie überwunden; der Diabetes sei damit gut eingestellt. Auch nach eigenem Vorbringen des Klägers kämen gelegentliche, ausgeprägte Hypoglykämien nicht mehr vor.

Der Kläger hat gegen den ihm am 15.04.2005 zugestellten Gerichtsbescheid am 17.05.2005 rechtzeitig Berufung eingelegt und vorgetragen, dass spätestens mit der Einleitung der Insulinpumpentherapie im November 2003 der GdB wie bei einem schlecht eingestellten Diabetes mit 50 zu bewerten sei. Gegenüber den Verhältnissen bei der Bescheidung im Jahr 1994 sei es auch schon vor Antragstellung im März 2004 zu einer Verschlimmerung gekommen. Er hat darauf hingewiesen, dass der Sachverständige (SV) Dr. C selbst einen HbA1c Wert von 8,7 festgestellt habe, wodurch die Feststellung des Dr. X, dass der Diabetes eher schlecht eingestellt sei, bestätigt werde. Er hat in der mündlichen Verhandlung erneut auf den hohen Therapieaufwand insbesondere wegen des Schichtdienstes hingewiesen und seine Disziplin hervorgehoben und schließlich auch auf die chronisch venöse Insuffizienz und die Notwendigkeit des Tragens von Kompressionsstrümpfen aufmerksam gemacht.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 23.03.2005 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17.05.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2004 zu verurteilen, bei ihm ab November 2003 einen GdB von 50 festzustellen, hilfsweise, die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsachen, dass die aktenkundig dokumentierten Befunde und die in der Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen Dr. C erhobenen Befunde einen ständig unzureichend eingestellten Diabetes mellitus Typ I trotz der seit November 2003 bestehenden Insulinpumpentherapi...

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