Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung. Verletzung der Meldepflicht. versicherungswidriges Verhalten. gesundheitliche Einschränkungen und Alter. leichte Fahrlässigkeit. befristeter Arbeitsvertrag. Entfallen der Meldepflicht bei Anschlussarbeitsverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei vermeintlich angesichts Alters oder Schwerbehinderung offensichtlich aussichtslosen Vermittlungsbemühungen besteht die Pflicht zur Arbeitssuchendmeldung uneingeschränkt.

 

Orientierungssatz

1. Die Feststellung einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung nach § 144 Abs 1 S 2 Nr 7 SGB 3 aF ist nur dann rechtmäßig, wenn dem Arbeitslosen hinsichtlich des Meldeversäumnisses Verschulden, dh zumindest leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

2. Bei Bestehen eines befristeten Arbeitsvertrags ist der Arbeitnehmer nach § 38 Abs 1 S 1 SGB 3 verpflichtet, sich drei Monate vor dessen Auslaufen arbeitsuchend zu melden. Uneinigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Wirksamkeit einer Kündigung oder Befristung und ein diesbezüglicher Prozess haben keinen Einfluss auf die Meldepflicht des § 38 Abs 1 SGB 3. Nur ein wirksam vereinbartes Anschlussarbeitsverhältnis lässt die Meldepflicht entfallen.

3. Ob im Einzelfall auf eine rechtzeitige Arbeitsuchendmeldung Vermittlungsbemühungen von der Arbeitsagentur aufgenommen worden wären und welche Erfolgsaussicht diese gehabt hätten, bleibt außer Betracht. Der Sperrzeittatbestand ist nicht Ausdruck individueller Schadensfeststellung, sondern Folge von versicherungswidrigem Verhalten.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.02.2012 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Eintritt einer einwöchigen Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung.

Der am 00.00.1948 geborene Kläger ist gelernter Maurer. Er hat einen Grad der Behinderung von 50 und ist zwischenzeitlich seit 01.03.2011 Rentner (Altersrente für schwerbehinderte Menschen).

Der Kläger bezog in der Vergangenheit Arbeitslosengeld ab Januar 2007. Anlässlich der Aufnahme einer Beschäftigung ab Juni 2007 wurde ihm im Aufhebungsbescheid vom 18.06.2007 folgender Hinweis erteilt: "Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung eines Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Erfahren Sie von der Beendigung weniger als drei Monate vorher (dies gilt auch bei der Aufnahme von befristeten Beschäftigungen von weniger als drei Monaten), müssen Sie sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis von der Beendigung melden. Melden Sie sich verspätet, erhalten Sie für eine Woche wegen einer Sperrzeit kein Arbeitslosengeld. Außerdem wird Ihre Anspruchsdauer um 7 Tage gemindert."

Seit 18.06.2006 bis Ende Dezember 2010 arbeitete der Kläger in Vollzeit als Vorarbeiter im Bauhauptgewerbe (regelmäßiger monatlicher Bruttoverdienst in 2010: 1700,- Euro). Der befristete Arbeitsvertrag endete am 31.12.2010. Bei der Beklagten meldete sich der Kläger am 21.10.2010 arbeitsuchend und arbeitslos zum 01.01.2011. Im Anhörungsbogen betreffend den möglichen Eintritt einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung erklärte der Kläger: "Bin auch davon ausgegangen, dass der Vertrag verlängert wird. Ganz ehrlich habe ich wirklich nicht mehr daran gedacht, vor drei Monaten sich arbeitsuchend zu melden ( )". Vermittlungsvorschläge seitens der Beklagten wurden dem Kläger auf seine Arbeitsuchendmeldung nicht unterbreitet. Auf das am 27.10.2010 veröffentlichte Stellengesuch gab es keine Reaktionen etwaiger Arbeitgeber.

Mit Bescheid vom 01.02.2011 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.01.2011 bis 07.01.2011 wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung fest. Dem widersprach der Bevollmächtigte des Klägers am 07.02.2011. Der Kläger sei noch nie arbeitslos gewesen und habe von der Drei-Monats-Frist nicht gewusst. Außerdem sei er davon ausgegangen, dass das befristete Arbeitsverhältnis wie zuvor auch verlängert werden würde; dass dem nicht so sei, habe er erst unmittelbar vor dem 21.10.2010 erfahren. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes bestehe die Meldepflicht auch dann, wenn der Arbeitgeber den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Aussicht stelle. Sowohl durch das dem Kläger Anfang 2007 anlässlich seiner damaligen Arbeitslosigkeit ausgehändigte Merkblatt als auch durch den ausdrücklichen Hinweis im Aufhebungsbescheid vom 18.06.2007 sei der Kläger auf die Notwendigkeit einer frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung hingewiesen worden.

Mit weiterem Bescheid vom 01.02.2011 in Gestalt eines (gesonderten) Widerspruchsbescheides ebenfalls vom 08.02.2011 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab. Der Kläger sei durchgehend seit dem 03.01.2011 arbeits...

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