Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Kapitallebensversicherung. kein Schonvermögen zur Altersvorsorge trotz Laufzeit von 38 Jahren. fehlender Verwertungsausschluss. keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung. keine besondere Härte. keine Berücksichtigung von Schulden. Zulässigkeit der Doppelberücksichtigung. kein fiktiver Vermögensverbrauch

 

Orientierungssatz

1. Eine Kapitallebensversicherung mit der maximal möglichen Laufzeit von 38 Jahren, die jedoch nur bis zur Vollendung des 59. Lebensjahres reicht und für die insofern kein Verwertungsausschluss gem § 165 VVG vereinbart werden kann, stellt kein der Altersvorsorge dienendes Schonvermögen iS des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB 2 aF dar.

2. Kann eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung dieser Lebensversicherung iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 1 SGB 2 nicht anerkannt werden und sind nach den vorgelegten Rentenauskünften Renteneinkünfte deutlich über dem Grundsicherungsniveau zu erwarten, so kann von der Vermögensverwertung auch nicht aufgrund besonderer Härte gem § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB 2 abgesehen werden.

3. Die Berücksichtigung von Schulden und Verbindlichkeiten bei der Feststellung der vorhandenen Vermögenswerte ist nach der Rechtsprechung des BSG allenfalls geboten, wenn eine Verbindlichkeit unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand lastet, da ein solcher Vermögensgegenstand nicht ohne Abzüge veräußert werden kann (vgl BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R = FEVS 60, 297 und vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R = FEVS 62, 6).

4. Wurde ein Vermögensgegenstand bereits einmal bei der Leistungsberechnung berücksichtigt und ist er bei erneuter Antragstellung noch vorhanden, so ist er bei der weiteren Leistungsberechnung erneut zu berücksichtigen. Ein fiktiver Verbrauch von Vermögenswerten findet nicht statt (vgl BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.12.2012; Aktenzeichen B 4 AS 29/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.04.2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2005 bis 03.10.2007.

Die klagenden Eheleute, geboren am 00.00.1952 bzw. 00.00.1951, beantragten am 30. Dezember 2004 Leistungen nach dem SGB II. Die Kläger bewohnen zusammen mit ihrem Sohn ein Eigenheim im B-weg 00 in der Gemarkung X. Die Wohnfläche des 1970 erbauten Hauses beträgt rund 126 qm, die Grundstücksgröße 662 qm. Das Haus wurde als Einfamilienhaus errichtet, die Geschosse sind untereinander weder baurechtlich noch tatsächlich wirksam abgeschlossen. Das Obergeschoss des Gebäudes wird von den Klägern und das Erdgeschoss vom Sohn der Kläger bewohnt, die Wohnungen sind mit getrennten Zählern ausgestattet. Auf das Erdgeschoss entfallen rund 58 qm und auf das Obergeschoss 50 qm. Der Sohn zahlt für das von ihm bewohnte Erdgeschoss Miete in Höhe von 196,80 Euro an die Kläger. Das Haus war am 23.09.2004 noch mit Schulden in Höhe von 11.992,81 Euro belastet. Monatlich zahlen die Kläger auf das Darlehen 153,39 Euro. Die Kläger haben sich nach ihrem eigenen Vortrag verpflichtet, frei werdende Beträge aus ihrer Lebensversicherung zur Finanzierung der Restschulden des Hauses zu nutzen und haben insoweit die Ansprüche aus der Lebensversicherung an die Bausparkasse abgetreten. Während des streitigen Zeitraums haben sich diese Schulden weiter reduziert. Sie betrugen am 31.12.2005 10.218,59 Euro und am 31.12.2006 8.813,93 Euro. Die Klägerin war selbständig tätig, nach den Jahressteuerbescheiden hat sie keine Gewinne erwirtschaftet. Zum Zeitpunkt der Antragstellung waren die Kläger Inhaber einer Lebensversicherung bei der C (im Folgenden: C Lebensversicherung). Diese Lebensversicherung hatte am 01.12.2003 einen Rückkaufswert einschließlich Überschussanteile von 36.835,44 Euro, für sie wurden vom Versicherungsbeginn am 01.12.1973 bis zum 01.02.2005 Beiträge in Höhe von 18.460,55 Euro gezahlt. Die Frage der Anrechnung des Vermögens bei dem Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe vom 12.10.2003 bis 31.12.2004 war bereits Gegenstand des Verfahrens beim Sozialgericht (SG) Dortmund, Az.: S 31 AL 11/06. In diesem Verfahren hatte der Kläger im Nachgang zu der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 09.12.2004, Az.: B 7 AL 44/04 R und vom 17.03.2005, Az.; B 7a/7 AL 68/04 R gegenüber der Bundesagentur für Arbeit am 10.04.2006 eine Erklärung abgegeben, nach der er nach Auszahlung seiner Lebensversicherung diese bis etwa zum 60. Lebensjahr weiterhin zur Alterssicherung anlegen werde. Aufgrund dieser Erklärung hatte die dortige Beklagte den Klägern einen zusätzlichen Freibetrag für die Altersvorsorgevermögen eingeräumt, in dessen Folge Arbeitslosenhilfe bewilligt und der Rechtsstreit für erledigt erklärt wurde. Des Weiteren besaßen die Kläger eine Versicherung bei der Deutschen I Lebe...

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